Es gibt Krankheiten wie Krebs und Multiple Sklerose, bei denen eine Behandlung mit Cannabis schon mehr oder weniger normal ist. Und dann gibt es Krankheiten wie Migräne, Morbus Crohn und eben Neurodermitis – bei diesen Krankheiten hat Cannabis noch nicht den Durchbruch geschafft.
Denn diese Krankheiten wurden nicht in einem Atemzug genannt, als das Cannabis-Medizinal-Gesetz im März 2017 verabschiedet wurde. Es scheint, als wären diese Krankheiten (zumindest in Deutschland) zu irrelevant für eine weitergehende Betrachtung über die Schulmedizin hinaus. Doch der Schein trügt: Obwohl diese Krankheiten sicherlich nicht so schwer wiegen wie Krebs oder MS, gibt es auch für diese bereits Erfahrungen und erste Studien.
Mich persönlich interessiert die Behandlung von Neurodermitis ganz besonders, denn ich leide selbst an dieser nervigen Hautkrankheit und behandle sie jetzt schon eine ganze Weile (in Eigenregie) mit Cannabis.
Was ist Neurodermitis?
Neurodermitis, auch atopisches Ekzem oder atopische Dermatitis genannt, ist eine chronisch entzündliche Hauterkrankung, die schubweise verläuft. Typisch ist eine sehr trockene, juckende Haut, die zu Ekzemen neigt. Die Veranlagung dazu ist angeboren. Umwelteinflüsse, Allergien und Stress tragen jedoch dazu bei, dass die Krankheit ausbricht, beziehungsweise, dass es zu neuen Krankheitsschüben kommt.
Die Symptome, die sich bei den meisten Betroffenen auf einzelnen Stellen der Haut finden lassen, reichen von trockener Haut über verhornte Bläschen bis zu nässenden Wunden. Bei mir persönlich sind zum Beispiel vor allem einzelne! Finger betroffen, sowie die gesamte Oberfläche des linken Fußes.
Doch was läuft im Körper konkret falsch, damit die Symptome überhaupt ausbrechen können? Das kann man leider noch nicht genau sagen, denn die Grundlagenforschung zu Neurodermitis ist noch nicht sehr weit fortgeschritten. Als mögliche Auslöser werden eine fehlerhafte Regulation des Hautimmunsystems, eine Störung des neurovegetativen Systems oder Anomalitäten der Hornschicht der Oberhaut (Epidermis) angenommen. Wie dem doccheck flexicon weiterhin zu entnehmen ist, weisen neuere Ergebnisse auf eine Störung des natürlichen Haut-Barriere-Systems hin.
Auch den sogenannten Neuropeptiden wird eine Verantwortung für den Ausbruch der Neurodermitis zugeschrieben. Diese Hormone sind für Stressgefühl im Körper verantwortlich. Es ist deshalb nicht ungewöhnlich, dass sich Neurodermitis bei Kindern entwickelt, deren Eltern sich gerade scheitern.
Wird Neurodermitis vererbt? Zumindest wird das stark angenommen. Neurodermitis würde über mehrere Gene vererbt, besonders auffällig ist eine Anomalie auf Chromosom 11, bei der das Gen mit den Bauplänen für das Protein EMSY verändert ist.
Cannabis gegen Neurodermitis
Das erste Mal las ich vor ein paar Monaten in einer Facebook-Gruppe von einer Patientin, die mit der Zeit einfach kein Cortison mehr vertragen hat und deren Lebensqualität schwindend gering war. Denn was für einen Nicht-Neurodermitiker nicht verständlich ist, treibt Betroffene in den Wahnsinn: Die juckenden Stellen gehen einfach nicht weg und jucken unentwegt. Nicht selten liegt man ganze Nächte wach und setzt von Zeit zu Zeit auch mal einen Schreikrampf ab.
Ohne eine einzige Studie gelesen zu haben, kann schon an dieser Stelle gesagt werden: Ein gutes Indica am Abend lässt den von Juckreizen geplagten Neurodermitis-Patienten viel besser schlafen. Meiner eigenen Erfahrung nach helfen schon relativ geringe Mengen Cannabis gegen langwieriges Einschlafen. Denn durch die stetige psychische Belastung finde ich den Schlaf erst, wenn ich wirklich sehr erschöpft bin.
Natürlich kann zum Zweck des Einschlafens auch Baldrian-Tee getrunken werden. Doch an der Stelle kommen die anderen positiven Effekte von Cannabis bezüglich Neurodermitis zum Vorschein, wofür die Studienlage dann doch recht interessant ist.
Diese Studie, die die Wirksamkeit des Cannabinoids PEA in einer Creme untersucht, kommt zum Ergebnis, dass die Behandlung mit solch einer cannabinoid-haltigen Creme Hautrötungen, Schuppen, Juckreiz und Verdickungen bei Patienten mit Ekzemen deutlich reduziert. Bei den 2456 befragten Neurodermitis-Patienten hat sich eine Reduktion der Symptome um 58,6% im Mittel ergeben. Eine Ist-Einschätzung wurde mit Hilfe einer Skala vorgenommen, die vor und nach der Behandlung mit der cannabinoid-haltigen Creme angesetzt wurde (optische Kriterien, aber auch Juckreiz, brennen, …). Bemerkenswert: 56% aller Studien-Teilnehmer haben gegen Ende der Studie Kortison komplett abgesetzt. Die durchschnittlich benötigte Wochenzufuhr an Kortison konnte im Schnitt um 62% verringert werden.
Die Studie fasst zusammen, dass die Teilnehmer deutliche Verbesserungen bezüglich ihrer Lebensqualität, als auch ihrer Symptome feststellen konnten. Außerdem unterstützt die Studie meine eigene Erfahrung des besseren Einschlafens.
Diese Studie kommt zu dem Ergebnis, dass bei der Behandlung mit cannabinoid-haltiger Creme 38,1 Prozent aller Studienteilnehmer gar kein Jucken mehr feststellen konnten. 52,4 Prozent konnten durch die Behandlung den Schweregrad des Juckreizes signifikant senken.
Diese Studie hat ebenfalls herausgefunden, dass Cannabinoide Hautentzündungen und Juckreize deutlich verringern. Cannabinoid-Rezeptor-Agonisten schwächen histamininduzierte Antworten deutlich ab.
Welche Konsum-Form?
Cannabis sollte im Zusammenhang mit Neurodermitis auf keinen Fall geraucht werden, da durch den Verbrennungsvorgang giftige Stoffe in den Körper gelangen und dadurch für Irritationen auf der Haut sorgen können. Als sehr geeignete Methode hat sich die Herstellung von Cannabis-Salbe etabliert, denn dadurch kommen die Wirkstoffe direkt auf die gewünschten Stellen.
Einige Patienten vaporisieren parallel zur Behandlung, was ich für sehr sinnvoll halte. Denn dadurch lässt sich das Stress-Level spürbar senken und man lebt einfach ruhiger. Stichwort Lebensqualität. Im Gegensatz zur Krebsbehandlung mit Cannabis sollte man als chronischer Neurodermitiker einen Sortenmix zur Hand haben, denn man möchte ja über den Tag aktiv sein (Sativa) und Abends gut schlafen können (Indica).
Falls Dir auch das Vaporisieren zu gesundheitsschädlich ist, zum Beispiel durch feine Partikel, kannst Du das Cannabis natürlich auch im Joghurt genießen oder deine Lasagne damit würzen. Dafür brauchst du nichts anderes als ein paar Blüten und unseren Ratgeber zum Decarboxylieren.
Ein Geheimtipp für alle, denen die Wirkungen von Cannabis zu krass sind: Cannabis-Öl enthält alle für den Menschen essentiellen Aminosäuren, die der Mensch nicht selbst herstellen kann. Und tatsächlich: Gegenüber Ekzemen wirkt das Öl der Hanfsamen sehr lindernd. So jedenfalls meine Erfahrung und die einiger anderer Patienten, mit denen ich Kontakt hatte.
Ist Cannabis also der Heilsbringer gegen Neurodermitis?
Cannabinoide können die Symptome von Neurodermitis deutlich abschwächen. Vor allem das NICHT in der Cannabis-Pflanze vorkommende Cannabinoid PEA verspricht laut den Studien eine effektive Linderung, Studien mit den in Cannabis vorkommenden Cannabinoiden THC und CBD fehlen allerdings noch. Diese beiden Cannabinoide wirken jedoch an den gleichen Rezeptoren wie PEA, lediglich die benötigte Menge und die Nebenwirkungen unterscheiden sich. Gerade mit Blick auf die unklaren Konzentrationen an THC und CBD, die für erfolgreiche Behandlungen nötig sind, herrscht noch viel Forschungsbedarf.
Generell kann man Neurodermitis leider nicht bekämpfen, da es sich höchstwahrscheinlich um einen Gendefekt handelt (siehe oben). Mindestens ist Neurodermitis aber chronisch. Deshalb ist Neurodermitis als „schlummernder Parasit“ immer im Körper vorhanden.
Bei der Bekämpfung der Symptome kann Cannabis helfen, sollte aber nicht als Allheilsbringer gesehen werden.
Denn jeder Arzt und jeder Neurodermitis-Versteher weiß, was wirklich zu einem gesunden Leben (mit Neurodermitis) gehört: Wenig Stress, innere Ruhe, Ausgeglichenheit, Glück.
Falls man nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurde, ist das heutzutage aber natürlich gar nicht so einfach. Und genau deshalb behandle ich meine Neurodermitis mit einschlagendem Erfolg von Zeit zu Zeit mit Cannabis, weil man dem Stress manchmal einfach nicht anders entkommen kann. Die erhöhte Dopamin-Ausschüttung ist einfach ein richtig guter Stress-Bekämpfer.
Bis die Gesellschaft sich mal wieder auf die wirklich wesentlichen Werte konzentriert, werden wohl noch viele Jahre, viele Stresssituationen und viele Ungerechtigkeiten an uns vorbeiziehen. Und in dieser Zeit werden wir Neurodermitiker unseren eigenen Weg finden müssen, um möglichst unbedarft durchs Leben zu gehen. Warum also nicht mit Cannabis?