Ein Spanienurlaub ist was tolles. An schönen Stränden liegen, schöne Menschen, schönes Wetter, überall gibt es günstig gutes Essen und an jeder Ecke riecht es nach Gras. Was offenbar niemanden stört. Angeblich kann man in Spanien sogar ganz legal in Social Clubs Gras kaufen und niemand kriegt dort wegen Kiffen noch Ärger. Gerüchte und Erfahrungsberichte gibt es viele, aber genaue Informationen sind nicht so leicht zu bekommen. Das Beste ist, man geht mal in einen Social Club und fragt die Spanier dort.
Nach kurzer Internetrecherche finden wir einen Social Club, mit Website und Emailadresse.
Und nach kaum mehr als einem Tag ist sogar Antwort im Postfach, gerne können wir vorbeikommen und den Lesern in Deutschland alles über die Clubs erzählen. Dafür stehen wir auch mal früher vom Strand auf und begeben uns am Nachmittag irgendwo an den Stadtrand ins Gewerbegebiet, wo Autohändler und Handwerksbetriebe liegen. Hier verirren sich definitiv keine Touristen mehr hin. Nach verwinkelter Treppensteigerei ist da tatsächlich eine Tür, auf unser Klingeln öffnet ein Summer und wir stehen mitten im Club.
Der besteht zunächst aus einem chilligen Raum mit Sofas an den Wänden. Hier sieht es aus, wie in einem privaten Wohnzimmer. Ein großer Fernseher mit Playstation, Gesellschaftsspiele im Regal und mehrere Gitarren in der Ecke laden zu sozialem Beisammensein ein. Noch ist niemand da, aber die Atmosphäre ist wesentlich entspannter, als in einem niederländischen Shop. Der CSC wird von internationalen Organisationen als Lösung empfohlen, wie Bürger zu ihrem Recht auf freie Rauschmittel- und Medikationswahl kommen und die Autoritäten ohne Gesichtsverlust aus dem desaströsen Krieg gegen Drogen aussteigen könnten.
Hinter dem Wohnzimmer liegt dann das Büro. Dort sitzt unser Kontakt, ich glaube, er heißt Miguel, oder so ähnlich. Hinter ihm, auf dem Aktenschrank, steht eine hübsche Batterie von Einmachgläsern mit frischem Gemüse. Miguel freut sich, unsere Fragen zu beantworten. Es stimmt also alles, was wir über die segensreiche Institution der Cannabis Social Clubs gehört haben. Im Prinzip. Denn geregelt ist gar nichts. Und das in jeder spanischen Region total unterschiedlich.
Diese Regionen sind nämlich ziemlich Autonom, was ihre Gesetzgebung angeht. In Katalonien etwa, welches seine Autonomie ja gerade öffentlichkeitswirksam unter Beweis stellt, wurden die Social Clubs wohl neulich wirklich legalisiert.
Wo wir uns befinden, ist das aber noch ein wenig anders. Die Social Clubs gibt es aber im ganzen Land. Die ersten eröffneten um 1990, aber seit 5 oder 6 Jahren werden es immer mehr. Offiziell sind das Gemeinschaften, die zusammen in eine Plantage investiert haben und sich die Ernte teilen. Denn der Handel mit Cannabis ist in Spanien nach wie vor verboten. Konsum und Anbau dagegen sind zwar nicht erlaubt, aber auch nicht verboten und niemand wird dafür verurteilt. Da keine Regelungen existieren, gibt es übrigens auch keine feste Anzahl an Pflanzen, die jemand haben darf, wie man öfter in deutschen Medien liest. Es gibt einfach kein Gesetz das irgendwem, irgendeine Anzahl zubilligt oder untersagt. Also steht auch nirgendwo geschrieben, ob jemand nun eine, drei oder zehn Pflanzen ziehen darf. Solange mit der Ernte kein Handel getrieben wird, gibt es nichts zu verurteilen.
Die Social Clubs schweben in einer rechtlichen Grauzone und es wird nicht weiter darüber geredet.
In Katalonien schwebt diese Grauzone zwischen geduldet und legal, anderswo eher zwischen verboten und geduldet. Es hat seine Gründe, weshalb Miguel hier im Industriegebiet in der Provinz sitzt. Denn aus dem Zentrum wurde er ganz klassisch vertrieben. Im Rathaus mochte man den Club nicht. Die Polizei fiel ein und nahm alles Gras mit. Wie das halt so üblich ist. Nur der weitere Rechtsweg entfällt, die Polizei behält das Gras, wahrscheinlich nur das gute, aber kein Staatsanwalt klagt mehr und kein Richter urteilt. Seit er umgezogen ist, wird er in Ruhe gelassen.
Es darf, wie schon gesagt, kein Handel stattfinden. Die Mitglieder unterhalten mit ihrem Beitrag die Plantagen und teilen die Ernte auf. Ohne Handel gibt es auch keine Bücher, keine Meldungen und keine Steuern. Was sollte eine private Gemeinschaft von Gemüsezüchtern auch für Steuern zahlen, wenn kein Gemüse gehandelt wird? Mitglied sein kann jeder Bewohner der Stadt. Touristen dürfen leider nicht mitmachen. Gerne würde Miguel auch ausländische Gäste begrüßen, Spanier sind gastfreundlich. Er darf es aber nicht. Und natürlich darf er keine Werbung machen.
Es wirkt ein wenig so, als hätte der örtliche Grasticker seine Wohnung zu einem Laden gemacht und sich mit der Polizei darauf geeinigt, nicht belästigt zu werden. Die kommt nur noch, wenn die Nachbarn sich beschweren, dass zu viel Verpeilte in den Hauseigängen herumliegen und Klingelmännchen machen. Denn, mal ehrlich, niemand will eine Kifferbude in seiner Nachbarschaft, deren Belegschaft sich nicht im Griff hat. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich und löblich, dass sie nicht jeden hereinlassen. Es gilt die alte Kiffer-Regel: Es kommen nur die Leute rein, die man kennt und mag. In diesem Fall ist das sogar von den Behörden ausdrücklich so befohlen.
Wer unangemeldet rein schneit und am besten noch über das Angebot meckert, wird also nichts bekommen.
Niemand aber fragt, ob ein Clubmitglied einen lieben Bekannten mal ziehen lässt. Ob nun Clubbekanntschaft oder florierender Schwarzmarkt, wer in Spanien nicht an Drogen kommt, ist es selber schuld. Und wer von Strandkellnern beschissen wird, hat nicht kapiert, dass man von denen nicht kauft, sondern ihnen vor dem Abflug die übriggebliebenen Vorräte großzügig als Trinkgeld schenkt.
Konsumenten können in Spanien immer noch mit einer Ordnungsstrafe belegt werden und das Gras wird weggenommen. Es heißt, bei ausländischen Touristen spart sich die Polizei den Papierkram. Aber dazu muss man schon sehr dumm auffallen. Es ist dringend zu empfehlen sich ein wenig zu integrieren und an die Gepflogenheiten des Gastlandes anzupassen. In Spanien sind Drogen allgegenwärtig, aber berauscht sein wird absolut nicht geduldet. Man sieht überall strenge Herren und Damen im Café, die schon mittags und vormittags ganz selbstverständlich ein Glas Wein trinken. Aber nie sieht man betrunkene Spanier, wer einmal schwankend und unbeherrscht aufgetreten ist, hat in der Nachbarschaft lebenslang moralisches Hausverbot. Wer sich aber benimmt, wird überall mit traditioneller Gastlichkeit bewirtet. Egal, ob die Gesellschaft gerade trinkt, raucht, oder was auch immer genießt.
Ich mag die Leute und die Social Clubs.
Aber ob sich unsere ordnungsliebende Gesellschaft mit so einem Modell anfreunden kann, weiß ich nicht. Denn es sind ja nicht nur unsere Behörden, wir alle haben mitunter so einen kleinen Preußen gefressen, der es gern offiziell hat, mit Fingerabdrücken registriert und von Arzt, Krankenkasse, Vater und Mutter abgesegnet. Ein lockerer Cannabis-Club aber scheint mir eine sehr angenehme Lösung zu sein. Ich glaube, so etwas wünscht sich jeder, der mal mit Freunden zusammen die Ernte getrimmt hat, bei guter Musik in einer gemütlichen Wohnung, in die nur nette Bekannte reinkommen.