Cannabis hat mit richtig vielen Vorurteilen der Gesellschaft zu kämpfen. Der Pflanze wird unter anderem nachgesagt, dass sie deren Konsumenten faul und arbeitsscheu mache. Doch wie sieht es in der Realität aus? Ist Cannabis und Arbeit eine zielführende oder hemmende Kombination? Führt Cannabis uns Kiffer nach einer bestimmten Zeit in Hartz-IV oder können wir auch komplexe Projekte vorantreiben? Kommen Konsumenten überhaupt noch aus dem Bett raus, oder sind sie von fortgeschrittener Aufschieberitis betroffen?
Nö – Cannabis und Arbeit geht total fit.
„Ist ja klar, dass der Cannabis-Rausch-Autor nicht schreibt, dass Cannabis faul machen würde“. Wer das jetzt denkt, hat natürlich total recht. Denn ich würde den Artikel ja nicht schreiben, wenn ich gerade nur faul im Bett liegen würde. Wobei, ich liege grad tatsächlich noch im Bett, während ich diese Zeilen tippe. Aber das liegt eher an der winterlichen Raumluft, bei der ein zu zielstrebiges Aufstehen nur zu unnötigem Frieren führt. Aber im Ernst, so ein Artikel ist auch Arbeit! Zwar nicht zu vergleichen mit einem Angestellten-Verhältnis, in dem man recht klar definierte Aufgaben erfüllen muss, aber trotzdem Arbeit. Wobei, was ist Arbeit genau?
Was ist Arbeit?
Wenn ich bei Wikipedia nach „Arbeit“ suche, kommen zwar keine Stellenangebote, dafür aber zahlreiche Einträge, die das Thema Arbeit behandeln. Denn Arbeit hat viele Gesichter. Betriebswirtschaftler, Philosophen, Physiker und Volkswirtschaftler haben alle ihre eigenen Definitionen zum Begriff Arbeit. Die Betriebswirtschaftler zum Beispiel sehen Arbeit laut Wikipedia so:
Arbeit im Sinne der Betriebswirtschaftslehre ist jede plan- und zweckmäßige Betätigung einer Arbeitsperson in körperlicher und geistiger Form, die dazu dient, Güter oder Dienstleistungen zu produzieren.
Die Philosophen rücken von der BWL-Definition ab und stellen den Menschen bzw. das Individuum deutlicher in den Mittelpunkt. Im philosophischen Sinne wird die „Arbeitskraft“ also nicht nur als schnöder Produktionsfaktor gesehen, sondern als Mensch. Nicht die Perspektive des fertigen Produktes, sondern die des daran arbeitenden Menschen wird eingenommen. Und das ist entscheidend! Erster Absatz bei Wikipedia:
Die Arbeit als philosophische Kategorie erfasst alle Prozesse der bewussten schöpferischen Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur und der Gesellschaft. Sinngeber dieser Prozesse sind die selbstbestimmt und eigenverantwortlich handelnden Menschen mit ihren individuellen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Anschauungen im Rahmen der aktuellen Naturgegebenheiten und gesellschaftlichen Arbeitsbedingungen.
Philosophisch gesehen beschreibt Arbeit also unser gesamtes Handeln, denn ich gehe mal stark davon aus, dass man jede Interaktion ausführt, weil man damit über kurz oder lang ein Bedürfnis erfüllt.
Dieses Problem, nämlich dass jede Interaktion Arbeit ist, wird in der ethischen Praxis bis heute diskutiert. Jürgen Habermas, einer der größten Philosophen unserer Zeit, geht sogar noch ein Stück weiter. Er kommt in seinem Hauptwerk „Theorie des kommunikativen Handelns“ von 1981 zu der Erkenntnis, dass Arbeit zum Zwecke der Kommunikation ausgeführt wird. In der Fachwelt wird diese Erkenntnis jedoch als Henne-Ei-Problem gesehen, da nicht klar ist, ob Menschen gemeinsam sprechen, weil sie gemeinsam arbeiten wollen, oder miteinander arbeiten, weil sie miteinander sprechen wollen.
Für manchen ist Arbeit aber auch gar keine Arbeit
Vor geraumer Zeit habe ich mich mit dem vielleicht 55-jährigen Vater eines Freundes unterhalten, der zum Glück noch ein bisschen in den Flower-Power-Zeiten zu Hause ist. Er findet den Begriff Arbeit abstoßend und zu negativ besetzt, weshalb er ihn gar nicht mehr verwendet. Und ich finde: Recht hat er. Er ist selbstständiger Statiker und/oder Architekt, so genau weiß ich das nicht mehr. Aber eins weiß ich noch: Wenn er zum Zwecke des Lebensunterhaltes ein paar Aufträge bearbeiten muss, dann geht er „zeichnen“. Wenn im Garten was zu machen ist, geht er z.B. rasen mähen und Hecke schneiden, anstatt Gartenarbeit zu verrichten.
Was ich mit dem letzten Absatz sagen möchte: Was Arbeit ist und was nicht, ist meiner Einschätzung nach rein subjektiv zu bewerten. Denn auch für mich ist der Begriff Arbeit negativ besetzt und wenn ich das Wort höre, habe ich schon gar keine Lust mehr auf die damit verbundenen Aufgaben. Deshalb schätze ich auch das Schreiben eines medizinischen Fachartikels als Arbeit ein, weil das manchmal ganz schön schlaucht. Andererseits schätze ich diesen Artikel hier nicht als Arbeit ein, weil das Thema einfach nicht so fehleranfällig ist und ich hier einfach so drauf-los-schreiben kann.
Wieder andererseits sehe ich die Erledigung einer Aufgabe für meinen richtigen Job aus dem Home-Office heraus viel weniger als Arbeit an, als wenn ich mich am Tag zwei Stunden durch den Stau kämpfen muss, um den ganzen Tag in einem viel zu lauten Großraumbüro zu sitzen.
Um den Definitionen der Ethik und Betriebswirtschaftslehre Genüge zu tun, müsste ich also sagen, dass es für mich „gute“ und „schlechte“ Arbeit gibt.
Für welche Arbeiten eignet sich Cannabis?
Ich finde es total beachtlich, bei welchen Aufgaben mir Cannabis einen Mehrwert bieten kann. Nach ein paar Zügen aus dem Vaporizer kann ich mich total gut auf eine Sache fokussieren. Bilder lassen sich wunderbar auf einem dezenten High-Level bearbeiten. Und auch Texte profitieren deutlich von der erhöhten Selbstreflexion bezüglich der eigenen Arbeit. Es ist einfach unglaublich, wie lange man über konkurrierende Synonyme oder kaum wahrnehmbare Farb-Einstellungen philosophieren kann.
Ob die Ergebnisse von Arbeiten im Rausch besser sind, sei dahingestellt bzw. müsst ihr mal in die Kommentare schreiben. Aber ich sehe diese durchs Kiffen bedingten Denkpausen als elementaren Teil meines kreativen Schaffens. Ich bin der Überzeugung, dass Cannabis mich definitiv von gewissen Denkweisen befreit hat. Ich kann jetzt viel mehr Zusammenhänge zwischen den ganzen verschiedenen Problemen auf der Welt und bei uns herstellen und das Analysieren geschlossener bzw. halboffener Systeme ist genau mein Ding.
Steile These, aber ich denke, dass die komplexen Gedankengänge bei stärkeren Rauscherfahrungen dafür sorgen, dass man auch im nüchternen Zustand davon profitiert. Denn auch wenn man sich nie so genau daran erinnern kann, was beim letzten Kiffer-Abend alles passiert ist: Die Denk-Strukturen werden geschaffen.
Davon kann dann auch der richtige Job profitieren. Unter den richtigen Umständen kann ich high richtig gut arbeiten. Zum Beispiel zu Hause im Home-Office oder im fast leeren Open-Space-Büro. Nichts ist entspannter, als eine Aufgabe zu haben, sich mit Laptop auf die Terrasse zu setzen und die Sache schnell zu erledigen. Wahlweise mit einem leichten Joint am Start. Mir hilft kiffen auch echt beim englischen Sprechen und Telefonieren ist viel entspannter und unaufgeregter als sonst. Vor der Arbeit kiffe ich persönlich jedoch nie, ich würde mich auch überhaupt nicht wohl dabei fühlen, high im Büro zu sein.
Heutzutage hat Arbeit einen großen Feind: Das Großraumbüro.
Auf Arbeit im Großraumbüro stehe ich ständig unter Druck und komme den ganzen Tag nicht wirklich zu Ergebnissen. Der Druck kommt aber nicht von schwierigen und vielen Aufgaben, sondern von ganz viel Unterforderung. Nichts ist schlimmer als ein Büro, in dem alle Kollegen und Kolleginnen den ganzen Tag über ihren letzten Urlaub auf Malle oder den Malediven reden und unentwegt das Telefon bei wem klingelt. Und dann kommt zur Krönung noch jemand vorbei und gibt dir den Todesblick, weil du aus Langeweile am Smartphone sitzt, weil du nicht willst, dass dein Chef dich beim Surfen auf Cannabis-Rausch.de auf dem Monitor erwischt. Das alles baut bei mir einen gewissen Stress auf, der mein atopisches Ekzem ausbrechen lässt und mich den ganzen Tag zu nichts kommen lässt.
Wenn ich jedoch zu Hause bin, um 9.00 Uhr den Laptop aufklappe und völlig ungestresst und ausgeschlafen das erste Telefonat führe, ist das für mich wie Urlaub. Im Sommer auf der Terrasse sitzen, den eigenen Kaffee trinken anstatt den für 30 Cent und paar Sachen erledigen. Bisschen Excel, viel Recherche bei Google und bisschen Mails schreiben. Also fast wie bei Cannabis-Rausch, nur halt in IT. Fände ich alles wunderbar, wenn ich das immer machen könnte. Job könnte doch echt SO einfach sein: Vorgesetzter hat eine Aufgabe, gibt sie dir und du erledigst die Aufgabe ordentlich und gibst die Lösung oder was auch immer zurück. ABER nein: Zwei Stunden Stau und ultrakonformes Betriebsklima müssen die ganze Sache ja mit dem Begriff Arbeit negativ einfärben.
Was spricht gegen Cannabis bei der Arbeit?
Eines vorweg: Ich kann nicht produktiv schreiben, wenn ich gekifft habe. Hört sich jetzt so an, als würde ich nach einem Joint nur noch rumliegen und nichts tun– aber das wäre falsch dargestellt.
Denn gesetzt dem Fall, dass ich gerade gekifft hätte, würde ich wahrscheinlich trotzdem diesen Artikel schreiben. Denn ich sehe ihn nicht wirklich als schnell und effektiv zu erledigende Arbeit. Auf einen wissenschaftlichen Artikel dagegen hätte ich auf ’nen Straffen weniger Lust, denn in dem Fall müsste ich viele umherschwirrende Fakten sammeln und strukturiert aufschreiben. Und das dauert bekifft einfach länger.
Und das ist auch der Hauptgrund, warum ich ungern bekifft „arbeite“. Denn dann bin ich einfach viel langsamer, schweife je nach Menge mit den Gedanken ab und kann mich nicht mehr so gut konzentrieren. Und eine Konzentrations-Schwäche habe ich als Generation-Z-ler ja sowieso. Unterm Strich leidet nicht die Qualität der Arbeit, denn ich bin definitiv nicht weniger sorgfältig, wenn ich dem high-life mal wieder hallo sage. Die Quantität leidet hingegen schon – die Gründe kennst dafür kennst Du ja jetzt.
Zusammenfasend würde ich sagen, dass die Effizienz bei der Erfüllung einer Arbeit unter dem Cannabis-Konsum leidet. Ein No-Go stellt die Kombination jedoch nicht dar.