Wer auf ortsspezifischen Kontext verzichten kann und nur wegen der Strains hier ist, scrolle einfach vier Absätze weiter.
Ich sitze gerade am Laptop inmitten einer traumhaften Szenerie bestehend aus Mammutbäumen, Vogelgezwitscher, Rehen, traumhaften Wurzelkonstrukten, unserem roten 50$-Zelt, auf dem Handtuch und Pullover trocknen und mir, am Convertible sitzend das Erlebte niederschreibend. In mittlerer Entfernung eine Gruppe Hippies, die mit einem Mitsubishi 4×4 angereist sind. Mit ihnen teilen wir einen der exklusivsten State Parks in ganz Kalifornien. Allein die lange Anfahrtsstraße, 15 Kilometer zivilisationslos in die weiten Redwood- bzw. Mammutbaumwälder führend, um schließlich vor dem stattlichen Big Basin State Park Informationszentrum zu landen. Witzig an Kalifornien: Wenn man hier bei einem State Park nach einem Zelt-Platz fragt, entgegnen die immer sehr freundlichen State Park-Mitarbeiter*innen meistens nicht einfach: „Ok, das macht dann 35$“, sondern „Ok, aber das kostet dann auch 35$“. Das ‚aber…auch‘ macht den Unterschied.
Sehen wir mit unserem Mustang wirklich so arm aus, dass wir einen Gratis-Platz erwarten würden? Ich meine, klar, der Mustang ist ok, aber in Amerika muss man schon einen schön fetten Wagen vom Schlage eines Escelades fahren, um bei manchen Menschen Ernst genommen zu werden. Arme Welt, aber an der Stelle die bittere Realität. Der man immerhin entfliehen kann, indem man seinen bereits im Besitz befindlichen PickUp von der Stange einfach einen Meter höherlegt. Boden-Abstand bleibt zwar gleich, aber jetzt hat der Billo-Chevi-Pick-Up wenigstens die Schulterhöhe vom Escelade mit etwas schummeln perfekt erreicht und kann von nun an ebenso selbstbewusst über die Straße herrschend sein Revier auf der linken UND rechten Fahrspur markieren. Verrückte Welt.
Ich bin gerade „ein bisschen“ high.
Was nicht heißen soll, dass ich nicht bemerkt hätte, dass ich von meinem eigentlichen Ziel, vom Big Bassin State Park zu berichten, abgeschweift wäre. Der State Park begeistert uns wie fast immer, besonders und unterscheidend zu deutschen und vielen europäischen Campingplätzen, durch seine schiere Weite und Einsamkeit. „Lonelyness“. Und die Naturnähe. Wir fahren gefühlt noch zwei Meilen vom Besucher-Informationszentrum in die Mammutbäume rein zu unserem endgültigen Platz. Es gibt hier einfach richtige, asphaltierte Straßen auf dem Weg von der Interstate ins „Huckleberry Camp“. Laut Google erreicht unser Zeltplatz für die Nacht 4,8 Sterne in den Rezensionen, bei den kritischen Maßstäben amerikanischer Camper ein absoluter Top-Wert. Wir bekommen natürlich – wie eigentlich immer – einen der besten Spots. Hier herrscht das Prinzip „First come first serve“ und wird auch weitgehend so gelebt. Glück für uns, dass wir uns immer schon gegen die Mittagszeit auf Zeltplatzsuche machen.
Während ich gerade so die vergangenen Tage auf der Straße Revue passieren lasse, muss ich kurz abschweifen, um diese märchenhaften Lichtspiele im Holz in mich aufzusaugen. Tief durchatmen, Augen zwischendurch schließen. Und Ausatmen. Hinsehen, zweimal atmen, Augen schließen. Heute ist großer Rauchtag bei Cannabis-Rausch und das bedeutet: Vorräte aufbuffen.
Wir haben noch etwas vorzügliches RB26 GMO am Start, welches laut Dispensary-Lab-Aushang und Verpackung 27% THC beinhalten solle. Wie so ziemlich jedes Gras in Kalifornien aus der Plastik-Tüte ist auch das hochpotente RB26 deutlich Boveda-bedürftig, sprich furztrocken. Die Harzdrüsen sind zusammengeklebt und teilweise brüchig, im Grinder zerfällt das Weed gefühlsmäßig zu Staub. Aber gut, daran muss man sich in Cali gewöhnen: Während Gras in Amsterdam gerne mal richtig schön harzig-saftig dargeboten wird, muss man in Cali mit sehr trockenen Blütenteilen Vorlieb nehmen. Da scheinen die Distributoren noch nicht die richtigen Lagerbedingungen für das oft trocken-heiße Klima in Kalifornien gefunden zu haben. Fernab der Trockenheit fällt mir wenig negatives zu den RB26-Kräutern ein, es ist eine solide Sorte zum stolzen 15er-Kurs.
Die Sorte entstammt einer Kreuzung aus Cookies and Cream und GG4. Wie so oft in Kalifornien machen sich die 27% THC ganz angenehm im Körper breit, von „knallen“ würde ich hier nicht sprechen. Die von uns getestete RB26 ist ein leicht sativalastiger Hybrid ohne nennenswerte Gedankenspiele. In einem Blindtest habe ich sogar auf das Raspberry Cookies von Cannaforniafarms spekuliert.
Himbeerkeks-Gras von der Cannafornia-Farm
Das nächste Gras, welches am heutigen all-you-can-weed zu Genusszwecken zur Verfügung steht, haben wir quasi wachsen sehen: Raspberry Cookies. Davon haben wir gestern stolze sieben Gramm geschenkt bekommen, als wir jene Farm besucht haben, wo das Gras hochgezogen wurde und für viele weitere Generationen und Strains auch noch in Zukunft hochgezogen wird. 10% THC steht auf dem Label auf giftgrüner Verpackung. „Das seichte Gras zum immer rauchen“. Aber ehrlich: Es wirkt super sanft „uplifting“, drückt kaum und sieht einfach nur pornös aus. Lila mischt sich mit grünen Farben zu dunklen Glitzerwerken. Die Buds sprechen eine andere (Bild-)Sprache als alles, was ich in Europa je erlebt habe.
Am ehesten kamen da noch die Candy Packs mit, beispielsweise das Sour Strawberry Diesel, welchem jedoch die so überaus ästhetische und verblüffende Farbgebung des kalifornischen Zehnprozenters fehlte. Raspberry Cookie schmeckt genau so, wie es klingt: Neben dem Cake-Geschmack nach einer ziemlich intensiven, roten Beere, die nicht einmal Himbeere heißen muss. Denn wenn wir mal ehrlich sind, leben Himbeeren doch auch nur von ihrem Image. Der Frucht-Geschmack im Raspberry Cookies sollte nicht nach einer staubig-matten Himbeere benannt sein, sondern vielmehr nach einem Hochglanz-Granatapfel oder Vergleichbarem.
Der Cookie-Geschmack, ich nenne ihn aus sprachbefindlichen Gründen lieber Cake-Geschmack, entspricht meinen Erwartungen voll und ganz. Vor Cali hatte ich in der Heimat noch einmal richtig gutes Girl Scout Cookies – und das war der sahnig-keksig-leichtherb-authentisch-süßeste Grasgeschmack, den eine Cake-Sorte überhaupt haben kann. Im Raspberry Cookies kamen an der Stelle also glücklicherweise zwei ziemlich heiße Geschmäcker zusammen: Kräftige rote Beeren gepaart mit einer leichten Version der zu Hause erlebten GSC-Phäno. Das High aber wirklich nichts für das große Ziel eines All-You-Can-Weeds, nämlich mal richtig runterzufahren und in sich selbst hineinzuhorchen. Daniel und ich unterhalten uns bei solchen Gedanken dann oft über LSD, was in dieser mammutbäumigen Umgebung wohl ein ziemlicher Knaller wäre, wenn man es denn konsumierte.
Reste rauchen
Doch uns bleibt bei unserem Spot noch eine deutlich größere Auswahl, als bis jetzt aufgezeigt: Im Fundes befinden sich beispielsweise noch ein paar Gramm Jazz Queen aus LA-Downtown-Zeiten, wo wir zu allererst einen guten Deal über 10 Gramm Sativa zum Autofahren abschließen wollten. Jetzt begleiten uns die zugegebenermaßen doch ziemlich mittelmäßigen Blüten immer noch. Als beste Nutzung hat sich die Mischung mit anderen Sorten herausgestellt, denn die sativalastige Wirkung der Jazz Queen sucht in unserem Arsenal ihres gleichen.
Deutlich begehrter sind die kläglichen Reste von Humboldt Seed Farms Bigfoot Glue, dessen initiale 3,5 Gramm durch mysteriöse und definitiv auch unerklärliche Umstände auf nur noch 0,35 Gramm schrumpften. Mal abgesehen von dem kleinen Verrecker-Joint, den ich mir an unserem ersten (Traum-)Campingplatz von dem Weed (ohne Filter) gebaut habe und ihn auf Grund widrigster Verhältnisse erst zum Aufwachen am nächsten Morgen anzünden konnte, können sich Daniel und ich nicht mehr erinnern, wo wir das Bigfoot Glue je verkonsumiert hätten. Doch anderseits stand zu dem Zeitpunkt Bigfoot Glue in unser beiden Hitlisten ganz oben… Ominös! Zum Abschluss sollte der Strain jedenfalls noch eine Sonderbehandlung erleben, um in Würde aus unserer Weed-Reserve auszutreten: Gemeinsam mit einer gemütlich-großzügigen Portion des Blue Kush Live Resins (BHO) wurden die zerkleinerten Blütenreste zu einer goldenen Königsmische zusammengerollt und festlich angezündet. Ein Traum für jung und alt, wenn man mal bedenkt, dass Daniel und mich 10 Jahre Altersunterschied trennen.
Nach 1237 Wörtern muss ich mich erstmals über die Mücken an unserem heutigen Spot beschweren. Trotz vorsorglicher Ganzkörper-Verhüllung, für die ich in Österreich mindestens eine Bewährungsstrafe oder Abschiebung ins Exil zu befürchten hätte, schwirren unheimlich viele Mücken um mich. Ich bin mir bewusst, dass das eher eine „Rezension“ der Marke „mimimi“ ist, aber in Amerika darf man als Kunde ruhig kleinlich bewerten und Mücken als abwertendes Kriterium für einen Camping-Platz hinzuziehen. Pragmatisch! Auf anderen Camping-Plätzen in Kalifornien gibt es dagegen kaum stechende Insekten, die, den Warnschildern im Big Basin Glauben schenkend, teilweise auch giftige Stiche hinterlassen können! Die Beschwerden per Google Rezensionen scheinen die Mücken also an manchen Orten wirklich zum Rückzug bewegt zu haben…
Aber nicht im Big Basin-State Park: Hier gewinnt die Park-Verwaltung langsam wieder die Kontrolle über die so sensible Natur zurück, die sie durch typisch-amerikanisches Camping-Verhalten fast verloren hätte. Denn Camper, die hier im Park krümeln, locken Raben an. Die wiederum fressen die Eier von einem schönen blauen Vogel mit lustig spitzem Kragen, der vom Aussterben bedroht ist. Das Aussterben des schönen blauen Vogels wollen die hiesigen Ranger nicht, weil sie sich immer mega drüber freuen, wenn sie 2x im Jahr den schönen blauen Vogel vom asphaltierten Parkgelände aus in der freien Natur sichten. Deshalb hängt im Big Basin Park auch eine Strafe über 875$ fürs Krümeln aus. Aber hey: Wer unter Mammutbäumen schlafen will, hält sowohl Stechviehcher, als auch Krümelverbote aus. Und Jazz Queen…