Steht uns ein kompletter Richtungswechsel bevor? Schon bald könnten in Deutschland spanische, tschechische oder auch portugiesische Zustände eintreten: Denn unsere allseits beliebte Marlene Mortler, ihres Zeichens Bundesdrogenbeauftragte der Bundesrepublik Deutschland, vollzog in den vergangenen Tagen einen radikalen Richtungswechsel. Mortler, deren Aussagen wir schon diesen und diesen Artikel gewidmet haben, halluziniert auf einmal von einer Cannabis Entkriminalisierung.
Zeitgleich mit der Veröffentlichung der aktuellen Statistik über die Zahl der Drogentoten 2017, hat sich Marlene Mortler zu einem überraschenden Statement in Richtung Cannabiskonsumenten hinreißen lassen: Scheinbar hat ihre Beobachtung aus den letzten Jahren dazu geführt, dass sie die polizeiliche, justitielle und andere behördliche Belastung durch die Verfolgung von hauptsächlich Cannabis-Konsumenten für dermaßen unverhältnismäßig hält, dass sie in Erwägung zieht, Cannabis-Delikte nicht mehr als Straftat, sondern als Ordnungswidrigkeit zu bestrafen.
Das Ganze klingt auf den ersten Blick vielleicht wie vom Regen in die Traufe, doch auf den zweiten Blick offenbart sich das wahre Potential dieser Änderung – wenn sie denn auch tatsächlich kommt.
Denn Ordnungswidrigkeiten, unter welche auch das Falschparken zählt, ziehen deutlich weniger Konsequenzen nach sich. Der Status Quo, Cannabisbesitz als Straftat, sieht jedoch vor, dass die Polizei selbst beim Auffinden geringer Mengen eine Anzeige erstatten muss. Das erscheint umso paradoxer, wenn man bedenkt, dass die geringe Menge extra dafür definiert wurde, um Konsumenten nicht übermäßig hart für ihren Eigenbedarf zu bestrafen und sich als Staat Strafverfolgungen ohne öffentliches Interesse zu ersparen.
Diese Gesetzesänderung wurde nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1994 in Form des BtMG §31 a in unserem Rechtssystem verankert. Problem dabei: Bis heute wurde bundesweit keine einheitliche geringe Menge festgelegt und Bayern macht sowieso was es will. In Berlin gibt es heute also eine geringe Menge von 15 Gramm, die seitens der Behörden auch jedem Berliner Kiffer vergönnt werden, während man in Bayern in den meisten Fällen schon beim Auffinden von wenigen Krümeln deutscher Hecke eine saftige Strafe bekommt. Denn eine Anzeige muss stets erstattet werden und dann folgt erst die Entscheidung durch die Staatsanwaltschaft, ob das Verfahren eingestellt wird.
Weitere Probleme am Status Quo, die dein Leben so richtig schön versauen können
Wer das erste Mal mit Cannabis erwischt wurde, braucht in den meisten deutschen Bundesländern nichts zu befürchten. Problematisch wird der ganze Spaß dann aber beim zweiten Mal erwischt werden. Denn mit der Anzeige bekommst du auch einen kleinen Eintrag bei der Polizei. Sie wissen dann beim zweiten Mal, dass du schon mal wegen Weeds auffällig wurdest. Beim zweiten, dritten oder vierten Mal wird die Staatsanwaltschaft dann vielleicht nicht mehr so leichtfertig das Verfahren einstellen, denn laut BtMG §31 a ist sie dazu nicht verpflichtet. Zudem kommt hinzu, dass nicht nur Staatsanwalt und Polizei von deinem kleinen Vergehen erfahren, sondern durch mysteriöse Umstände meist auch die Freunde von der Führerscheinstelle. Und die sehen es gar nicht gern, wenn Cannabis von fahrzeugführungsberechtigten Personen konsumiert wird.
Wir sehen: Deutsche Cannabis-Konsumenten kommen am besten gar nicht mit den Behörden in Kontakt und sind dementsprechend enormer Paranoia und Verlustangst ausgesetzt. Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, sprechen Legalisierungsgegner dann davon, wie asozial Cannabis-Konsumenten seien… Halt, eigentlich soll Cannabis doch entspannen!
Entkriminalisierung in Sicht
Vielleicht hat Marlene Mortler in den letzten Tagen ja ihren ersten Joint gebufft, und genau das eingesehen: Weed soll entspannen. Also gibt es jetzt einen Vorschlag, der die Spannungen zwischen Konsumenten und konservativen Prohibitionisten ein wenig verringern soll: Entkriminalisierung.
Ja, ihr habt richtig gelesen. Deutschland ist auf dem besten Weg in die Entkriminalisierung von Cannabis. Damit zöge Deutschland mit Ländern wie der Schweiz gleich, die bereits am 1. Oktober 2013 eine ähnlich progressive Entscheidung getroffen hat. Bei den Eidgenossen geht jeder Erwachsene, der mit maximal 10 Gramm Cannabis erwischt wird, straffrei aus der Kontrolle raus. Einziges Druckmittel bleibt eine Ordnungsbusse, also so was wie der Park-Strafzettel, in Höhe von 100 Schweizer Franken für jeden Verstoß. Bisschen mehr als beim Falschparken.
Laut Mortlers Äußerung könnten Deutschlands Konsumenten, natürlich je nach konkreter Umsetzung einer möglichen Gesetzesänderung, sogar noch deutlich mehr Möglichkeiten bekommen: Zum Beispiel in Form einer Therapie, Drogenberatung oder sonstiger reumütiger Aktionen.
Strafe bleibt Strafe
Auch wenn der Konsum von Cannabis bald wie Falschparken behandelt wird, ist eine mögliche Entkriminalisierung höchstens als Teilerfolg zu werten. Denn der Sinn des Cannabis-Strafzettels ist letzten Endes auch nur eine billige Schiene des Staates, um Cannabis-Konsumenten weiterhin unter Druck zu setzen. Der Staat würde dadurch auf vielen Ebenen gewinnen. Denn zum einen würde durch solch eine Änderung eine deutliche Entlastung von Polizei und Gerichten eintreten, zum anderen würde der Staat Legalisierungsbefürworten eben dieses Argument pro Legalisierung wegnehmen. Win-Win.
Für Cannabis-Konsumenten, die mit Blick auf die Teilnehmerzahlen der Global Marihuana Marches vor zwei Wochen per se schon ziemlich demo-faul sind, würde die Situation also noch entspannter werden, als sie durch das Canna-Medi-Gesetz schon jetzt ist. Denn wohlhabende Kiffer – Rapper, Anwälte, Manager, Sens-Media-Mitarbeiter, … – holen sich seit ein paar Monaten einfach ein Rezept zum legal kiffen, zum Beispiel von Hapa Medical.
Für alle Normalsterblichen, die mit normalen, deutschen Einkommensverhältnissen klarkommen müssen, wäre Kiffen in Zukunft also mindestens noch ein teurer Spaß – wenn man sich denn erwischen lässt.
Wer sich für Frau Mortlers Zapfenstreiche interessiert und lesen will, wie wir ihre Argumentationen zerlegen, ist herzlich zur Lektüre der folgenden Artikel eingeladen:
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hier [Warum Cannabis entgegen Frau Mortlers Drogenbericht keine volkswirtschaftlichen Schäden anrichtet]
und
hier [Über Frau Mortlers Verlängerung als Drogenbeauftragte]
und
hier [Über Frau Mortlers Doppelmoral, den Therapie-Paragrafen und Suchteinschätzungsbögen].