10 Jahre kiffen – aufhören und wieder anfangen.
Habt ihr euch schon mal gefragt, wie es ist, nach 10 Jahren kiffen einfach so aufzuhören? Von einem auf den anderen Tag. Nein? Doch, klar habt ihr das!
Und habt ihr euch AUCH gefragt, wie es ist, dann nach einem Jahr clean sein, das erste Mal wieder einen Joint zu rauchen? Nein? KLAR habt ihr das! Ich glaube jeder Kiffer tut das.
Ich habe es gemacht.
Really.
Ich habe ein Jahr nicht gekifft und dann, an einem Abend, genauer dem 28.09.2017 einen halben Joint geraucht. Und es war, irgendwie normal. Aber mehr dazu später.
Ich will euch kurz erzählen, wann, wie und wo ich angefangen habe zu kiffen.
Ich glaube ich war 16, als ich das erste Mal gekifft habe. Mit meinem ersten Freund und seinen Kumpels, habe ich in Berlin meinen ersten Joint gekifft. Und es war endgeil. Das war die Zeit, als es in Halensee noch Eis Henning gab. Ich habe nie mehr „Weiße Schokolade“ Eis gegessen, als in diesem Sommer. Es war so witzig. Der Eisboy wusste schon genau, was wir wollen, wenn wir wieder mal total straff in die Filiale gestolpert kamen. Ein herrlicher Sommer. Das war wirklich eine wunderschöne Zeit. Kiffen machte leicht und unbeschwert und einfach nur glücklich. Je älter ich wurde, desto doller wurde der Konsum. Ich wohnte in Essen und Holland war direkt nebenan. Gute Ausgangssituation möchte ich meinen. Mein Kumpel Andi hat mir jeden Tag den besten Scheiss mit in die Schule gebracht und „Schule“ bestand eigentlich nur aus chillen, kiffen und Musik hören. Belegte Stulle & Kakao. Ich hab sogar einmal mit meinem Musiklehrer einen gekifft, das war witzig. Er war so ein alter Rocker und kam immer mit seinem Mustang und in Lederjacke zum Unterricht. Na ja, ich schweife ab.
Als ich dann 2009 nach Berlin ging, artete es komplett aus.
Am Anfang hatte ich Schwierigkeiten, weil mir irgendwie die gute Connection fehlte. Nach unzähligen Versuchen in der Hasenheide oder im Görli (außerhalb von Berlin auch als Görlitzer Park bekannt) gutes Gras zu klären, beschloss ich, mir endlich wieder eine vernünftige Connection zu besorgen. In Neukölln war das nicht so schwer und schnell hatte ich die besten Zulieferer am Start. Und ich kiffte jeden Tag. Aus einem 10er am Tag wurde schnell mehr und alle Leute die ich traf, kifften auch. Geiler Start in Berlin. Genauso gefiel mir das.
Die Jahre gingen ins Land und irgendwie wurde alles so normal. Kiffen gehörte zum Alltag und war eigentlich immer und überall präsent. Zu Hause, auf Partys, beim Chillen. Ich kiffte, immer, und überall. Gras half mir, meine überschüssigen Emotionen und meine übermäßige Empathie in den Griff zu kriegen und auf Dauer wurden mir alle Menschen irgendwie… egal. Egal trifft es ganz gut.
Ich bin jemand der sehr, sehr viel fühlt und auch oft darunter leidet. Gras war also die perfekte „Droge“, um diesen Fehler meines Gehirns zu beheben. Viele Kiffer sagen, Gras verändere sie nicht. Null. Aber ich glaube, als reflektierter Mensch muss man einsehen, dass einen jede Substanz, die man seinem Körper künstlich zuführt, einen irgendwie verändert. Ist wie mit Zucker. So richtig merkt man´s eben nicht, da ist er aber trotzdem. Und Gras, Weed, Mary, nenn es wie du willst, hemmt einen eben. Die einen macht es langsam und träge, die anderen verträumt und genügsam. Mich machte es einfach nur taub. Ich fühlte mich ohnmächtig und kühl. Ich wurde immer mehr diese Hülle von mir selbst, die ich nie sein wollte. Ich fühlte irgendwie nichts mehr. Ich wollte immer weniger mit anderen zusammen chillen.
Ich hab schon immer gern allein gechillt und gekifft, irgendwie ist das ein friedlicher Zustand. Ich muss dabei immer an Sido denken, der irgendwann mal in einem Interview meinte, dass er sich deswegen einen Jesus hat tätowieren lassen, damit er nicht Junkie-mäßig alleine bufft, sondern immer jemand dabei ist. Haha. Geiler Typ dieser Paul. Feier ich.
Immer öfter hatte ich Situationen, dass ich nach dem buffen nicht mehr U-Bahn fahren wollte, konnte nicht mehr auf Partys kiffen und bekam sowas wie kleine Panikattacken. Irgendwie kamen die Emotionen jetzt 5 mal doller wieder wenn ich gekifft hatte, als wenn ich nüchtern war. Irgendwie spannend zu sehen, wie sich die eigene Reaktion über 10 Jahre so veränderte, man auf einmal doch nicht mehr alltagstauglich war, nicht mehr Auto fahren konnte. Bei den meisten wird die Toleranz ja eher immer höher. Bei mir sank sie. Drastisch.
Als ich dann 2016 irgendwann die Nase voll von diesem Druck hatte und auch sah, wie mein Exfreund sich verhielt, wenn er eine Weile zu viel gebufft hatte, beschloss ich aufzuhören.
Von einem auf den anderen Tag. Ich kiffte einfach nicht mehr.
Fertig. Thema beendet. Ganz so einfach ist es aber dann doch nicht.
Ich könnte euch jetzt viel erzählen, von Entzugserscheinungen oder sonst was, ich hatte sie nicht. In den ersten zwei Wochen schlief ich unruhig, das tat ich aber auch schon bevor ich anfing täglich Gras zu rauchen. Also war das auch nichts Ungewöhnliches. Ich träumte heftig und wachte oft morgens gerädert auf und fühlte mich matschig. Daran musste ich mich erst wieder gewöhnen.
Beim Sport fiel mir besonders auf, das mein Schweiß ordentlich nach Gras roch, aber irgendwie fand ich das cool. Die schlechte Laune blieb aus und es ging mir von Tag zu Tag besser.
Ich fragte mich oft, ob ich wohl eine leichte Psychose hatte, oder einfach nur nicht mehr kiffen konnte. Ich weiß bis heute nicht genau, was da los war und ob ich jemals wieder so rauchen kann wie früher. Ich war aber auch fest davon überzeugt, dass ich ab jetzt kein Kiffer mehr bin.
Geht das denn überhaupt? Neulich saß ich mit einem Typen zusammen, der zu mir meinte „Ja warum sollte man das auch machen, einfach aufhören, einmal Kiffer, immer Kiffer.“ – Ist das so?
In den letzten Wochen merkte ich, wie das Verlangen jeden Tag intensiver wurde und ich beim Anblick eines dicken Joints schon ein wenig Lust bekam mal wieder daran zu ziehen. Das ist so ähnlich wie… ach egal.
Gleichzeitig war da aber auch diese Angst, wieder so zu fühlen wie damals, als ich beschloss aufzuhören. Dieses Unwohlsein fühlte sich wirklich manchmal an wie ein Bad Trip. Ich fühlte mich eingesperrt und hatte oft das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Ich wollte das nicht mehr, ich wollte aber auch nicht darauf verzichten entspannt und unemotional zu sein. Das macht mir mein Leben irgendwie leichter. Wenn man nie abschalten kann, kann ein guter GrasTurn wirken wie ein Filter. Ein flauschiger, weicher, angenehmer Filter, der einen einfach kurz vergessen lässt, wie furchtbar diese Welt hier um uns herum oft ist.
Ich unterhielt mich beim koreanischen Lunch mit einem guten Freund über Micro THC, quasi ein neuer Trend, seine Joints mit ganz, ganz wenig Gras zu rauchen.
Also, so wie alle Menschen über 50 die ich kenne. Haha. Wirklich, die rauchen alle wie damals in den 80ern. Die kommen oft nicht klar auf das hochgezüchtete Zeug, das wir Kids uns in die Birne hauen. Na ja. Wieder mehr Lust bekommen. Scheisse. Was machen? Erstmal nix. Hatte zwar Gras, aber keine Blättchen und auch keine Aktivkohlefilter zu Hause.
Idee wieder verworfen. Vielleicht war es auch besser so.
Als dann aber eine meiner besten Freundinnen bei mir abhing und über ein paar Stunden 2, 3 Tüten rauchte, ging es nicht mehr. „Lässt du mir davon was übrig….“ sagte ich und schaute sie dabei wehleidig an. „Ey, du willst doch nicht mehr buffen? Was‘ los?“ entgegnete sie mir, halb entsetzt, halb belustigt. Ich glaube alle meine Bufferfreunde wollen, dass ich wieder kiffe. Ist ja auch lustiger. Obwohl es eigentlich absolut nichts ändert.
Gesagt, getan, lies sie mir einen halben Joint im Ascher liegen den ich, nachdem sie gegangen war, kritisch beäugte.
Ich weiß, wie die Gute baut und ich sag euch, für Girls, machen wir schon echt ordentliche Mischen. Nix für Anfänger. Was soll´s. Ich wollte es wissen. Zack Ding in den Mund, angezündet, einmal kräftig gezogen. Das Gras schmeckte ganz wunderbar. Dieser gewohnte Geruch, den ich so lange nicht geschmeckt hatte, fühlte sich an wie zu Hause. Lecker. Echt. Gras schmeckt einfach geil. Direkt noch zwei Mal gezogen und dann den Joint wieder weggelegt. Ich hatte echt ein bisschen Schiss zu übertreiben und mich gleich wieder scheisse zu fühlen. Aber es passierte nichts.
Ich ging ins Bad, um mich abzuschminken. Meine Freundin am Telefon, die grade in der U-Bahn saß, schrie so dermaßen ins Telefon, das ich mir schnell eine Ausrede einfallen ließ, um auflegen zu können. Ging gar nicht klar. Auf einmal war ich wieder so geräuschempfindlich und hatte ein leichtes „alles dreht sich Gefühl“, aber noch war alles angenehm.
Ich machte mich bettfertig und suchte mir einen Film auf Netflix aus. Irgendwas mit Teenage Girl. Coole Bilder, krasse Story. Genau das Richtige jetzt.
Ich legte mich ins Bett und merkte wie ich langsam aber sicher doch echt straff wurde. Alles war unbequem. Ich fühlte mich wie ein Hund der sich 5-mal auf seinem Kissen im Kreis dreht und dann doch wieder an der gleichen Stelle zu landen wie immer. Als ich dann endlich eine Position gefunden hatte, die bequem war, bekam ich das Gefühl nicht mehr atmen zu können. Also aufstehen, Fenster aufmachen. Besser. War eine gute Entscheidung, frische Luft ist wichtig und Wasser half gegen den trockenen Mund. Ich legte mich entspannt ins Bett, zog noch einmal am Joint und schaltete den Film ein. Irgendwann schlief ich ein.
Noch vor 23 Uhr im Bett zu sein, ist bei mir wirklich eine Seltenheit.
Normalerweise gehe ich gegen halb 2 schlafen und stehe um 8 wieder auf. Nicht so gesund, ich weiß. Aber dieses Mal war es anders. Ich pennte irgendwann ein und wachte wirklich erst nach dem dritten Wecker klingeln irgendwann nach neun Uhr auf. 10 Stunden Schlaf, unglaublich. Ich fühlte mich so erholt wie schon lange nicht mehr und hatte gute Laune, was momentan auch eher eine Seltenheit ist. Sofort ertappte ich mich dabei, wie ich dachte, dass es voll gut sei heute Abend direkt wieder einen zu kiffen und natürlich blieben auch die Nachrichten von meinen wildgewordenen Freunden nicht aus, die fragten, wann wir endlich zusammen kiffen. Leute, kommt mal klar 😀
Ich bin immer noch nicht sicher, ob ich wieder anfange. Aber ich werde die Lage weiter beobachten. Es war wirklich kein super krasses Erlebnis, so wie es viele jetzt vielleicht wartet hätten, aber ich bin positiv überrascht, dass es mir doch so gut dabei ging. Vielleicht war die Pause gut, um zu mir zu finden, wieder eine gesunde Sicht auf meinen Konsum zu kriegen und irgendwann wieder normal buffen zu können.
Titelbild: Janina Wagner