Die Alten jammern jetzt schon öffentlich:
Kiffen war mal geil. Jetzt ist es nur noch hip.
Und Hipster sind ja eigentlich auch schon alt, aber was das Kiffen angeht, sind die meisten von denen wohl erst vor kurzem auf den Zug aufgesprungen. Sie sitzen im Barbar-Shop und dozieren bei der Spa- Maniküre über LED-Vollspektrum Growlampen, verschiedene Nitratkonzentrationen bei Pflanzenerde und wie man das Vergeilen von Cannabissämlingen verhindert.
Eigentlich sollte ich nicht lamentieren. Denn immer, wenn etwas plötzlich trendy wurde, entwickelte sich darum eine unfassbare Kommerzialisierung an meist völlig unnötigem Zubehör, Merchandising und Status-Konsum. War und ist also bei Cannabis auch nicht anders zu erwarten gewesen.
Verblüffende Szene an „Cannasseuren“.
Allerdings nimmt es dennoch so verblüffende Formen an, dass man völlig aus dem Blick verliert, für was Cannabiskonsum mal jahrzehntelang stand: Entspannte, bescheidene Befriedigung, die das nicht immer so lockere Sein relaxte. Davon ist in der neuen Cannasseur-Szene nichts zu spüren.
Wo sind die puren Weed-Aficionados?
Als Fluppe-Rauchen allmählich vulgär wurde, gab es einen Trend hin zu Zigarren. Und wer diese Leidenschaft für sich entdeckte, merkte bald, dass man wie bei Wein oder Whisky zig unterschiedliche Feinheiten an Aromen wahrnehmen kann. Man wurde zum Zigarren-Aficionados. Klar, da gab es dann auch den klassischen Statuskonsum: Mahagoni-Zigarrencutter, spezielles Zigarren-Feuerzeug, große Porzellan-Aschenbecher und unbedingt einen feinen Zedernholz-Humidor. Aber letztlich überschaubar.
Betreuungskosten für drei Pflänzchen von weit über € 1000,–
Anders bei Cannabis heute: Allein für den bescheidenen Eigenanbau – der meist Indoor sein muss – gibt es einen schier unübersichtlichen Hightech-Utensilien-Markt, der sich bei Erstanschaffung locker im mittleren vierstelligen Bereich bewegen kann. Wir haben hier öfters darüber berichtet. Auf die Ernte folgt dann die Anschaffung eines exquisiten Verdampfers – ´tschuldigung natürlich muss es Vaporizer heißen – , die locker mal € 150,– bis € 400,– kosten darf plus Zubehör und Ersatzteile. Und dann die vielen Merchandising-Produkte.
Kiffen früher und Cannabis-Konsum heute, das ist wie Dreimannzelt versus Caravaning.
Betrachtet man den aktuellen Anbietermarkt für all diese Ausstattungen, erwartet man offenbar wirklich Millionen, die hier einsteigen. Und dies ist es, was mich ziemlich befremdet. Das frühere Kiffen hat mit dem heutigen Cannabis-Konsum so wenig gemeinsam wie das Campen mit Dreimann-Zelt im letzten Jahrhundert und Caravaning heute. Es ist eine völlig andere Welt mit völlig anderen Prioritäten und auch einem völlig anderen Image.
Und hier wird’s jetzt persönlich: Das ist einfach nicht meine Welt – weder Caravaning noch Cannabis-Konsum mit € 400,- Vaporizer. Für mich steht „Kiffen“ für ein puristisches, relaxtes Leben. Ich liebe den selbstgedrehten Joint. Und mein Selbstanbau wird weiterhin in der versteckten Gartenecke Mutter Natur anvertraut. Klar, ich wollte heute auch nicht mehr im Dreimannzelt meine Urlaubstage verbringen, aber ebenso wenig empfinde ich, dass das Caravaning eine passende Alternative wäre.
Sind Schlipsträger hier?
Ich will hier niemanden auf den Schlips treten. Gibt’s ja heute sowieso kaum noch. Ich wollte nur mal die Gelegenheit nutzen, eine andere, etwas kritische Sicht auf den aktuellen Cannabis-Hype zu geben. Ich denke, ich bin da nicht allein. Ein wenig getriggert hatte mich Helmut Höge von der TAZ, der vor kurzem in seiner Kolumne sehr süffisant erklärte, dass seine Generation nicht zum Vergnügen gekifft hat. Ob das die jetzige tut, vermag ich nicht zu beantworten, nur die perfektionistische Art ist mir halt kein Vergnügen.
Wenn der Cannabismarkt so weiter hypt, wage ich zu prognostizieren, dass er in ein paar Jahren auch genauso schnell wieder implodiert. Ob das dann ein „Back to the roots“ bedeutet, wie wir es die vergangenen Jahre hier auf Cannabis-Rausch gefeiert haben, oder in ein niedliches Nischendasein wie der Vinyl-Schallplattenmarkt abgleitet, wird man abwarten müssen.
Sehr sicher aber bin ich, dass auch über einen länger absehbaren Zeitraum Cannabis nie Alkohol als Volksdroge ablösen wird. Darauf wette ich gerne eine gute Zigarre.
Foto von atarin michaeli auf Unsplash