Sonntag, 18.11.2018. Deutschlands wichtigste Legalisierungs-Konferenz ist noch keine 24 Stunden her und hat dennoch bereits jetzt einige Meilensteine erreicht. Die Berliner SPD hat sich bereits am Samstag der Konferenz für eine Cannabis-Freigabe ausgesprochen, in ersten überregionalen Zeitungen wird der deutsche Hanfverband erstmals vor Marlene Mortler genannt. Spiegel, Süddeutsche Zeitung und viele mehr berichten über die volkswirtschaftliche Studie des renommierten Ökonomen Prof. Dr. Justus Haucap vom DICE-Institut über die Kosten von Prohibition und Einnahme-Prognosen im Rahmen einer Legalisierung. Der Hanfverband hat gezeigt, was inhaltlich und kommunikativ möglich ist. Im Rahmen der Cannabis Normal 2018 wurde die Legalisierungs-Bewegung nach dem Einstand der Konferenz 2017 erneut auf ein höheres, seriöseres und gesellschaftlich heterogeneres Level gehoben.
Cannabis-Legalisierung heißt lange nicht mehr, dem „Klischee-Kiffer“ endlich seinen Hanf freizugeben. Klar, in den „Intensiv-Konsumenten“, wie Prof. Dr. Haucap in seiner Studie die wohl bedeutendste Konsumenten-Gruppe benannt hat, liegt der Ursprung und die anfängliche Identität der gesamten Bewegung. Diese Gruppe wird im Falle einer Legalisierung die größte Kundengruppe darstellen und darauf wird sich ein Großteil des Marktes ausrichten (müssen).
Legalisierung als gesellschaftliche Interesse
Zusammenkünfte wie die Cannabis Normal zeigen, dass eine Legalisierung nicht nur im Interesse der Konsumenten liegt. Schon seit Jahrzehnten kämpfen verschiedene Einzelkämpfer aus unterschiedlichsten Bereichen der Wissenschaft für eine alternative Betrachtung von Drogen, deren Konsumenten, Motiven zum Drogenkonsum und ganz wichtig – für eine alternative Drogenpolitik zur momentanen Prohibition. Da sind Ökonomen wie Prof. Dr. Haucap zu nennen, Sozial-Wissenschaftler wie der diesjährige Hanfadler-Preisträger Stephan Quensel, Richter wie Andreas Müller, Strafrechtsprofessoren wie Lorenz Böllinger, Strafverteidiger wie Christian Ströbele, der dieses Jahr auch mit dem Handler ausgezeichnet wurde, Suchtforscher, Suchtmediziner, Pädagogen, Drogen-Beratungszentren, Abgeordnete auf allen Ebenen vom Bürgermeister bis zum Bundestags-Mandatsträger. Alles sowohl in weiblich, als auch männlich vertreten.
Dazu kommen jene Menschen, die die morgige Industrie für einen legalisierten bzw. regulierten Markt aufbauen. Gärtner, Landwirte, Düngemittel-Hersteller, Gewächshaus-Experten, Berater für Ausschreibungsverfahren, Händler, Medien-Unternehmen, Verbände wie der DHV, Social Clubs und Rechtsexperten. Kanadische Großkonzerne, deutsche Nutzhanfbauern, leidenschaftliche Blogger, ehemalige Dealer und „Kleinkriminelle“, sogar Ex-Gefängnisinsassen auf Grund vom Anbau von Cannabis-Pflanzen – all diese Akteure kämpfen aus den unterschiedlichsten Gründen für die gleiche Sache – die Legalisierung von Cannabis und Regulierung eines längst entglittenen Marktes.
Die Prohibition bindet unheimlich wertvolle staatliche Ressourcen
Wie schon angesprochen, geht es vielen Akteuren der Legalisierungs-Bewegung vorrangig nicht um den eigentlichen bzw. persönlichem Konsum. Menschen wie Jugendrichter Müller oder Polizist Frank Tempel wäre das ganze Thema wahrscheinlich völlig egal, wenn ihre eigene Arbeit, für die sie sich in jungen Jahren einmal aus Leidenschaft entschieden haben, durch die zeitaufwändige Verfolgung von vorrangig Konsum-Delikten nicht arg eingeschränkt wäre. Manch einer spricht bei der schonungslosen Verfolgung von Cannabis-Konsumenten gar von der „Achilles-Ferse“ unseres Rechtssystems. Nicht umsonst sind sich die meisten deutschen Strafrechtsprofessoren einig, dass ein Cannabis-Verbot verfassungswidrig sei. Greifbar wird dies, wenn ein Jugendrichter darlegt, dass ein einziges Verfahren wegen Anbaus von Cannabis gut und gerne 70 Prozesstage ausmachen könne und damit den Steuerzahler über eine halbe Million Euro kosten kann. Wohlgemerkt pro Prozess!
Die Pflicht zur Verfolgung von Cannabis-Konsumenten bindet unheimlich viele Ressourcen in Polizei und Justiz. Prof. Dr. Haucap betitelt das Einsparungspotential im Bereich Polizei in seiner wegweisenden Studie bezogen auf Cannabis-Delikte auf mindestens 1 Milliarde Euro. 1.000.000.000 EURO! Für die Justiz-Kosten existiere keine verlässliche Datenlage. Jedoch gehen Experten in den Bereichen Justiz und Straf-Vollzug von mindestens ähnlichen Einspar-Potentialen aus. Stets konservativ geschätzt – die realistisch erzielbaren Ergebnisse werden wir dann als positive Überraschung nach einer möglichen Legalisierung höchstwahrscheinlich vielfach höher messen können.
Die Legalisierung erscheint wie ein Stück Seife
Bis zur Cannabis-Freigabe ist es jedoch noch ein weiter Weg. Eine Legalisierung in Zeiten ideologiegetriebener Regierunskoalitionen erscheint zwar greifbar, aber eher wie ein Stück Seife. Immer mehr legalisierte Länder weltweit geben uns Datenlagen und Erfahrungsberichte an die Hand, zeigen Synergie-Effekte auf oder geben verlässliche Einblicke in Chancen und Risiken. Wir bekommen durch Länder wie Uruguay und Kanada ein Gefühl dafür, wie Drogenmärkte reguliert werden können und an welchen Stellen sich Art und Umfang einer Legalisierung als „gut“ oder „schlecht“ erweisen. Legal States wie Colorado, Washington State oder Kalifornien, aber auch drogenliberale europäische Länder wie Portugal, Spanien, Tschechien oder die Niederlanden geben uns ein Gefühl dafür, welche Auswirkungen sich durch die Freigabe von Drogen auf sensible Bereiche wie Jugendschutz, Volksgesundheit, Verkehrssicherheit, gesellschaftlichen Zusammenhalt oder volkswirtschaftliche Kosten ergeben.
All diese Daten machen es dem Legalisierungs-Befürworter immer schwerer, die scheinheiligen Positionen von CDU, SPD und AfD nachzuvollziehen. Gesetzesentwürfe wie das Cannabis-Kontrollgesetz, welches in langwieriger Zusammenarbeit mit Experten aus unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen erstellt wurde, werden in unserer heutigen Zeit kommentarlos abgewählt. Kein Abgeordneter aus SPD und CDU stellt sich dem Regierungsbeschluss entgegen, keiner dieser demokratisch gewählten Volksvertreter muss sich dafür erklären. Die Legalisierung, das Stück, Seife, wird zwar immer wieder von FDP, Linken und Grünen gefasst, entgleitet beim zupacken jedoch immer wieder. CDU und SPD kämpfen Stand jetzt kontinuierlich und effizient gegen das Austrocknen dieses Stücks Seife. Doch der Druck erhöht sich, nicht zuletzt durch den DHV, welcher letztes Jahr die erfolgreichste Petition des gesamten Jahres lancieren konnte – ein Aufbegehren des Volkes an die Bundesregierung, endlich einen alternativen drogenpolitischen Kurs einzuschlagen.
Vorstöße seitens der CDU wecken Hoffnungen
Durch solche Teilerfolge trocknet das Stück Seife immer weiter aus – erst vor kurzem hat der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im deutschen Bundestag, Erwin Rüddel (CDU), sich für die Durchführung von Modellprojekten auf deutschem Boden ausgesprochen. Argument: Wenn wir es nicht ausprobieren – wie sollen wir dann wissen, welche Gefahren wirklich von Cannabis ausgehen? Studien wie die von Prof. Dr. Haucap oder die stetige Arbeit des Schildower Kreises, einem Konsortium aus ranghohen Wissenschaftlern zum Erdenken einer humanistischen Drogenpolitik, tragen ihren Teil zu einem Umdenken in der Drogenpolitik bei. Und natürlich und vor allem auch Konferenzen wie die Cannabis Normal – denn hier kommen Legalisierungs-Treiber aus allen Bereichen zusammen. Wissenschaftler, die nicht selbst konsumieren, treffen auf Freizeitkonsumenten und Patienten. Polizisten und Juristen reden mit Konsumenten auf Augenhöhe über Perspektiven, Ziele, Defizite, Art und Weisen. Bei solch einer mehrtägigen Veranstaltung entstehen Synergie-Effekte, die sich in ihrem Umfang längst nicht in solch einen Blog-Beitrag pressen lassen.
Jetzt wurde so viel zu den großen Effekten der Konferenz gesagt, dabei jedoch kein Wort über den Charakter der Konferenz verloren. Die Cannabis Normal Konferenz tagte auch 2018 wieder im deutschen Regierungszentrum Berlin. In der deutschen Bundeshauptstadt liegt das Zentrum der Macht, hier treffen Kompetenzen aller Farben und Colleur aufeinander. Deshalb verwundert es auch nicht, dass die Konferenz mit Leichtigkeit 30 Fach-Vorträge und Diskussionen bieten konnte. Auch verwundert es deshalb nicht, dass die Konferenz restlos ausverkauft war.
Deutschlands Legalisierungsbewegung fehlt es an großzügigen Spendern
Dem DHV ist dabei zu Gute zu halten, dass er ohne Hauptsponsor ordentlich draufzahlen musste, um dem fachkundigen Besucher für nur 210 EUR (2 Tage) solch eine umfangreiche und thematisch diverse Konferenz bieten zu können. Andererseits zeigt dieses Defizit auch auf, dass die deutsche Cannabis-Szene im Gegensatz zum nordamerikanischen Kontinent (noch) nicht bereit ist, Gelder für die Legalisierung bereitzustellen. Denn machen wir uns bei aller Ideologie mal nichts vor: In den bereits legalisierten Gebieten der Welt waren hohe Summen, bereitgestellt durch Unternehmen, der entscheidende Hebel zur Cannabis-Freigabe. Konferenzen wie die Cannabis Normal in Deutschland waren auch maßgeblicher Taktgeber der Legalisierung in Kanada oder einzelnen Staaten der USA. Mit dem wichtigen Unterschied, dass amerikanische und kanadische Unternehmen den Wert einer solchen Konferenz höher schätzten und ohne Murren sechsstellige Summen spendeten. Für nächstes Jahr hoffe ich einfach mal, dass sich dahingehend etwas ändert – denn wenn wir solch eine tolle Konferenz auch im nächsten Jahr besuchen wollen, können wir den DHV nicht schon wieder so hart draufzahlen lassen. Sonst gibt es irgendwann vielleicht gar nicht mehr solch eine Konferenz und das Stück Seife namens Legalisierung wird wieder glitschiger und glitschiger.
Positive Vibes auf der Cannabis Normal
Aber genug der Politik, erwähnenswert sind definitiv noch die vielen positiven Schwingungen der Cannabis Normal 2018. Zahlreiche Wissenschaftler, Aktivisten, Unternehmer oder auch Blogger wie ich bereiteten sich leidenschaftlich und inhaltlich weitestgehend tiefgehend auf interessante Panels zu unterschiedlichsten Themen vor. Es fanden jeweils drei Vorträge oder Diskussionen zeitgleich statt, trotzdem hatte ich den Eindruck, dass alle Themengebiete Anklang fanden und sowohl Experten als auch Einsteiger in die unterschiedlichsten Thematiken Einblick nehmen konnten. Das Themen-Spektrum reichte von Ökonomie über soziale Themen, Anbau, Rechtsprechung, Veredelung, Aktivismus bis zu (beinahe) vollendeten Tatsachen wie der Neubewertung von Cannabis durch die Weltgesundheits-Organisation (WHO).
Im Gegensatz zum letzten Jahr habe ich, Asche auf mein Haupt, leider nur das Panel zur Haucap-Studie und das Abschluss- und Preisverleihungspanel besucht. Ein Grund dafür könnte sein, dass ich vorerst selber durch mein Rosin-Panel gebunden war, ein wichtigerer Faktor ist jedoch meiner Meinung nach die sensationelle Organisation und Location gewesen. Im Gegensatz zu letztem Jahr, wo die Konferenz in einem Tagungshotel stattfand, dessen Raucherbereich für einige Stoßpunkte mit dem Hotel-Personal führte, gab es dieses Mal eine betreute Dabbing-Bar in einem ausreichend großen Raum voller Sitzmöglichkeiten zum Philosophieren, Joints rauchen und real-talken. Der einzige Wermutstropfen: Die deutsche Cannabis-Szene hängt nach wie vor am Tabak und mischt diesen mit Vorliebe in Joints, was der Raumluft in solch einem Etablissement nicht unbedingt gut tat.
Gut tat hingegen das Essen. Zum Mittag gab es jeweils ein liebevoll angerichtetes Buffet mit sowohl veganen, als auch fleischhaltigen Gerichten. Ausgeklügelt erschienen mir die Brownies für zwischendurch, welche nicht nur effizient gegen Munchies wirkten, sondern sich zudem hervorragend dazu eigneten, die zahlreichen THC- oder CBD-Öle, die einem auf der Konferenz immer wieder dargeboten wurden, zu testen. Ausgeklügelt.
Die deutsche Cannabis-Szene als riesengroße Famile
Sehr professionell und reibungslos lief meiner Einschätzung nach die gesamte Organisation der Konferenz. Einzig der Beschilderung der einzelnen Panel-Räume würde ich einen kleinen Kritikpunkt dalassen. So fragten sich ich und einige weitere, wo beispielsweise die Kuppel zu finden sei. Ihr merkt, wenn sich die Kritik auf ein einziges Schild bezieht, scheint der Rest ganz rund gewesen zu sein.
Alles in allem hatte ich auf der Cannabis-Normal den Eindruck, dass die deutsche Cannabis-Szene auf der Konferenz wie eine riesengroße Familie zusammenkam. Klar, der ein oder andere musste unter Umständen unliebsamen Verwandten aus dem Weg gehen. Aber selbst das sollte bei dem weitläufigen Veranstaltungspotential kein Problem gewesen sein. Für alle anderen gab es immer etwas Interessantes zu besprechen oder zu berauchen. Die Szene ist wahnsinnig divers und es war mir eine große Freude, dieses Jahr wieder darin einzutauchen und 2 Tage lang Cannabis-Szene-Luft zu schnuppern. Es waren so viele hochkarätige und interessante Menschen am Start, dass ich im Endeffekt lediglich das Haucap- und Abschlusspanel besuchen konnte – neben meinem Rosin-Panel, was trotz fehlender Beschilderung der Kuppel übervoll besucht war. So kommt man auf jeden Fall gerne wieder!
Ohne Moos nichts los
Für nächstes Jahr ist die Finanzierung der Cannabis-Normal leider noch nicht gesichert, da der DHV ohne Hauptsponsor leider ein deutliches Defizit aus eigenen Rücklagen kompensieren musste. Hoffentlich ändert sich das fürs nächste Jahr. An der Stelle deshalb auch von uns der Aufruf: Wenn du Cannabis-Unternehmer bist UND bereits deine erste Million Gewinn eingefahren hast – kurzer Anruf beim DHV, Sechsstellige Summe anbieten und dein Logo wird jedem Szene-Krösus auf der Cannabis-Normal 2019 ins Auge fallen. Und bald kommt dann vielleicht sogar die Legalisierung, du kannst noch mehr Gewinne einfahren und dich im Moment der ersten Milliarde auf den Punkt zurückbesinnen, an dem dein Unternehmen damals die dritte Legalisierungskonferenz in Deutschland ermöglichte. Rein hypothetisch, aber träumen kann man ja mal.
Hallo und 1000 dank an alle die sich offiziell für die Legaliisierung ein setzten .