Als im März 2017 das neue Gesetz für die Behandlung mit Cannabis in Kraft trat, begann der Boom um medizinisches Cannabis. Mir war klar, dass sich dafür nicht nur die wirklich Betroffenen, sprich echte, kranke Menschen dafür interessieren werden. Vielmehr wurde mit dem Gesetz ein neuer Industriezweig geöffnet. Keiner muss mehr mit einem Rezept für Cannabis die harte Prohibitionspeitsche des Staates spüren. Einfach zum nächsten Wald- und Wiesenarzt, 250€ auf den Tisch legen und sich wegen dem all time Klassiker ADHS ein Rezept holen. Und damit auch den wunderschönen Opioid-Ausweis und das Rezept ausstellen lassen. Das klingt wirklich sehr verführerisch. Immerhin hat dieser Weg Kalifornien zum Cannabis-Mekka werden lassen und ist nun über 20 Jahre später in den Genuss der vollkommenen Legalisierung gekommen. Klar, dass ich mir da auch ein Opioid-Ausweis für meine kleinen Gebrechen besorgt habe.
Nun ist der Boom immer noch voll am Laufen, das Geschäft mit den Kranken und Hilfesuchenden ist ein riesen Geschäft, besonders in Deutschland.
Es wird massig Geld in Deutschland investiert zum Thema Cannabis als Medizin. Nicht vom Staat, sondern vielmehr von seriösen, aber auch von zwielichtigen Gestalten. Dies hatte zur Folge, dass Unternehmen wie zum Beispiel Hapa Medical, Leafly.de und unzählige kleine CBD Hersteller versuchen, die Gunst der Kranken zu erhaschen. Das, was man der bösen Pharmaindustrie vorwirft, wird nun für die alten und neuen Cannabis-Aktivisten zum Deal ihres Lebens. Ich selbst habe schon 2 Artikel zum Thema Cannabis auf Rezept geschrieben und diese waren mit großem Abstand die erfolgreichsten auf dem Blog.
Jeden Tag bekomme ich zwischen 2-10 E-Mails von Menschen, die wissen wollen wie man ein Cannabis Rezept bekommt. Der große Teil derer ist nicht, wie man denken würde, „krank“, sondern vielmehr Menschen wie ich, die einfach der Verfolgung des Staates entkommen wollen. Sei es wegen ihrer Arbeit, oder dass sie ihren Führerschein nicht verlieren wollen. Denn eines ist sicher: Nur für einen kleinen Teil der Menschen ist Cannabis wirklich eine gute Möglichkeit, um wieder zu genesen. Das, womit man immer wieder in den Medien bombardiert wird, ist jenes Cannabis als Allheilmittel.
Ich möchte in diesem Artikel einmal auf eine ganz andere Seite eingehen. Nämlich auf das Gesetz für die medizinische Behandlung.
Cannabis auf Rezept – ein Irrweg?
Wie schon weiter oben erwähnt, hatte ich mir selbst auch ein Rezept für Cannabis besorgt. Ich dachte, damit wäre die Verfolgung zumindest für mich Schnee von gestern. Wie sehr ich mich doch getäuscht und geirrt habe. Wie bekommt man ein Rezept für Cannabis? Recht einfach, im Internet gibt es dutzende Anlaufstellen. Man muss nur wissen, wie man Google bedient. Auch gibt es mittlerweile Unternehmen, die Praxen eröffnen um Rezepte unter das Volk zu bringen, siehe Hapa Medical. Auch Medienunternehmen wie Sens Media oder Leafly.de stellen immer mal wieder Ärzte vor, die Cannabis verschreiben. Der kleine Haken an der Sache ist, dass es sich dabei in der Regel um Privatärzte handelt. Kassenversicherte müssen gar nicht erst bei ihrem Arzt nachfragen, denn der wird sich im Gegensatz zu vorgestellten Ärzten ziemlich sicher nicht trauen, Cannabis zu verschreiben.
Aber wer zwischen 100€-400€ Taschengeld für ein Cannabis-Rezept inkl. dem Opium Ausweis übrig hat, der bekommt innerhalb weniger Wochen seine gewünschte Freiheit. Wer wirklich glaubt, dass dieses Gesetz für die kranken Menschen gedacht ist, der täuscht sich gewaltig. Der große Teil der Versicherten ist nicht privat, sondern Kassenversichert. Und da die Kassenärzte mit zu viel Bürokratie nichts zu tun haben wollen, verschreiben sie Cannabis gar nicht erst. Mal ganz zu schweigen davon, dass die meisten Ärzte nichts von Cannabis verstehen, da sie in ihrem Studium nie etwas darüber gelernt haben. Es ist schon verständlich, dass der große Teil der Ärzte kein Cannabis verschreibt, warum auch? Die wenigsten Ärzte werden sich eine Schulung bei Hapa Medical geben, um besser informiert zu sein. Es gibt immerhin genügend andere Medikamente, die erwiesener Maßen besser wirken als Cannabis. Zumindest, weil Cannabis immer noch sehr viel Unwissen umgibt und das wird sich in den nächsten 5-10 Jahren auch nicht wirklich ändern.
Um Cannabis zu verstehen, sprich um die positiven & negativen Eigenschaften zu kennen, bedarf es eines sehr intensiven Google Studiums. Dieses Wissen wurde erfolgreich von unserem Staat unter Verschluss gehalten. Danke nochmal dafür.
Das Rezept – Freifahrtschein mit klaren Grenzen
Der Trend zum privaten Cannabis Rezept zieht gerade erst richtig an. Jeder, der sich auch nur ein wenig mit Cannabis beschäftigt, will dieses gelobte Rezept. Ich selbst kenne dutzende Menschen, die eines haben. In der Social-Media-Welt ist man der King mit einem Rezept, die Likes und Kommentare sind einem sicher. Leider habe ich auch zu diesem Trend beigetragen. Dieser Trend ist gefährlich, denn er bringt eben nicht die erhoffte Freiheit, nicht mehr vom Staat verfolgt zu werden.
Auto fahren? Geht selbst mit Rezept nicht unbedingt. Kiffen in der Öffentlichkeit? Da schützt einen das Rezept auch nicht. Cannabis zuhause haben, das nicht aus der Apotheke kommt? Ab in den Knast. Das Rezept bringt nichts, wirklich. Ich kenne zig Menschen, die trotz Cannabis Rezept ihren Führerschein abgeben mussten. Denen dennoch ihr Cannabis abgenommen wird und so weiter. In Städten wie Berlin braucht man eh kein Rezept, da kann man auch mit einem Joint an einer Streife vorbei fahren, das juckt niemanden. In München dagegen kann man schon mal mit auf die Wache genommen werden, obwohl man schwer krank ist und ein Rezept hat. Das ist in jedem Bundesland anders. (Plot Twist: Ist ein Umzug nach Berlin günstiger, als ein Cannabis-Rezept?)
Wer ein Rezept hat, darf auch nur das Cannabis aus der Apotheke rauchen, was mit Abstand das schlechteste ist, wenn man es mit legalen Märkten wie Kalifornien vergleicht.
In einschlägigen Foren findet man unzählige Berichte über verschimmeltes Cannabis aus der Apotheke. Es gibt Rückrufaktionen und so weiter. Falls es denn überhaupt Cannabis in der Apotheke gibt, denn in Deutschland ist eine Cannabis-leere Apotheke nun wirklich keine Seltenheit. Die Regierung erlaubt einfach nicht genügend Importe. Dann kommt auch noch der Fakt dazu, dass wenn man das Rezept privat bekommen hat, das medizinische Cannabis auch noch selbst zahlen muss. 25€ pro Gramm sind da keine Seltenheit. Keiner, der nur aus Repressionsgründen einen Freifahrtschein geholt hat, wird sein Cannabis in der Apotheke kaufen. Erstens viel zu teuer und zweitens ist die Qualität (Geschmack, Geruch und Optik) katastrophal. Na ja gut, zumindest einmal muss man zur Apotheke, um die Cannabis Verpackung zu bekommen, um später sein eigenes Cannabis dort einzufüllen.
Mir wurde schon gesagt, dass ich mit daran schuld sei, dass es weniger medizinisches Cannabis in der Apotheke gibt. Da ist leider was dran. Immerhin habe ich in anderen Artikeln propagiert, dass das Leben mit privatem Rezept und Opiatausweis um einiges leichter ist. Seht es mir nach: Ich bin auch nur ein Mensch und normaler Buffer, der in Ruhe kiffen will.
Cannabis auf Rezept? Legalisierung geht anders!
Dieser Trend schadet vor allem der kompletten Legalisierung. Die, die dafür kämpfen sollten, werden träge. Ein Berliner Kiffer mit Rezept wird sicherlich nicht mehr für eine Legalisierung kämpfen, als einer ohne. Der kompletten Szene fehlt es immer mehr an Menschen, die für die komplette Freigabe kämpfen. Unternehmen, die mit medizinischen Cannabis zu tun haben, werden sich niemals wirklich für eine 100%ige Legalisierung einsetzen. Das Gesetz hat der gesamten Bewegung geschadet. Das Cannabis auf Rezept Gesetz dient nicht denen, denen es wirklich dienen soll. Sondern nur den Menschen, die sich an diesem Gesetz bereichern wollen. Sei es finanziell oder der gekauften Freiheit wegen (wie ich).
Ach noch was Kleines am Rande, es gibt KEINE offiziellen Opiatausweise! JEDER, wirklich jeder kann sich so einen mit einem Adobe Cloud Zugang selber entwerfen. Das einzig relevante für Polizeikontrollen etc. ist das offizielle Rezept vom Arzt. Und wer glaubt, die Verpackung aus der Apotheke mit selbstgekauften Cannabisblüten fällt einem Polizisten nicht auf, der muss reichlich dumm sein. Ich hatte Gespräche mit Polizisten, die genau auf solche dümmlichen Tricks geschult werden. Wer nicht wirklich krank ist, dem bringt ein Rezept nichts, rein gar nichts. Das Einzige was wirklich etwas bringt, ist Aufklärung für eine komplette Legalisierung und sich aktiv dafür einzusetzen.
Ich kann nur jedem ans Herz legen, nicht dem verlockenden Ruf des Rezeptes nachzugehen. Außer du stehst auf teures und zugleich miserables Cannabis aus der Apotheke, das du am Ende des Tages noch einem Kranken wegrauchst. Die medizinische Cannabis-Versorgung gleicht einem DDR Supermarkt.
Fazit
Es ist klar, dass dieses Gesetz knallhart ausgenutzt wird. Kein Wunder, niemand will wegen ein bisschen Cannabis in den Knast oder den Führerschein verlieren. Deswegen wird es immer mehr Menschen geben, die sich dennoch vom Dr. Hollywood ein Rezept holen, im Glauben, dass es sie schützen wird. Es wird Zeit, dass Cannabis komplett legalisiert wird. Nur fehlt es den Leuten, die dafür kämpfen, an Ideen und der Power, diese Maßnahmen umzusetzen. Es gibt keinen Großen mehr, der für die Legalisierung kämpft. Unternehmen wie der Deutsche Hanf Verband haben keine ausreichende Möglichkeit, um die wirkliche Legalisierung voranzutreiben. Am Ende macht zurzeit nur der deutsche Hip-Hop die größte Arbeit für die Legalisierung, aber auch dieser geht nun allmählich den Weg der Rezept-Kranken. Schade. Ich hoffe, dass wir das noch irgendwie gerade rücken können, bevor wir bald nur noch „Kranke“ statt Kiffer haben.