Wir schreiben den 19. November 2020 und lesen die aktuelle Presse-Mitteilung des Europäischen Gerichtshofs. Bereits im Sommer berichteten wir über die bevorstehenden Vorstöße der EU-Kommission, CBD als Betäubungsmittel einzustufen.
Einige Monate später können wir vorerst aufatmen: Der Europäische Gerichtshof postuliert in seiner heutigen Pressemitteilung Nr. 141/20 über das getroffene Urteil
„Ein Mitgliedstaat darf die Vermarktung von in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestelltem Cannabidiol-Produkt (CBD) nicht verbieten, wenn es aus der gesamten Cannabis-Sativa-Pflanze und nicht nur aus ihren Fasern und Samen gewonnen wird.“
Welcher Einzelfall hat zu dem Urteil seitens des EuGH zu CBD geführt?
Im Mittelpunkt der getroffenen EuGH-Entscheidung steht ein Fall aus Frankreich. Gegen die Geschäftsführer eines Unternehmens zum Vertrieb von CBD-Kartuschen (E-Zigarette / E-Liquid), hergestellt in Tschechien, wurde von den Französischen Behörden ein Verfahren eingeleitet. Das Strafgericht Marseille verurteilte die beiden Männer zu 18 bzw. 15 Monaten Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf Bewährung. Zudem 10.000 € Geldstrafe für beide.
Die Begründung für das CBD-Urteil in Frankreich:
Den beiden CBD-unternehmern wurde vorgeworfen, mit einem illegalen Produkt gehandelt zu haben. Denn laut Strafgericht Marseille seien in Frankreich nur Fasern und Samen der Hanf-Pflanze zur Weiterverarbeitung zu verkehrsfähigen Produkten zugelassen. Die Angeklagten legten beim Berufungsgericht Aix-en-Provence Berufung ein, welches sich mit folgender Frage an den Europäischen Gerichtshof wandte:
„Ist die Vermarktung eines in einem anderen EU-Mitgliedsland legal hergestellten CBD-Produktes aus der gesamten Pflanze in einem EU-Land illegal, wo wie in Frankreich jene CBD-Produkte nur aus Fasern und Samen hergestellt werden dürfen?“
Der Europäische Gerichtshof entschied, dass der Grundsatz des freien Warenverkehrs in der EU einer solchen nationalen Regelung entgegensteht
Somit ist der Verkauf von CBD-Produkten auch dann legal, wenn die Herstellung desselben Produktes im Verkaufsland durch strengere, nationale Gesetzgebung illegal wäre.
Der EuGH führt weiterhin aus, dass die Bestimmungen des freien Warenverkehrs beim Handel mit CBD-Produkten Anwendung fänden. Denn nur Personen, die Suchtstoffe und Drogen vermarkten, fallen aus den Bestimmungen des freien Warenverkehrs heraus.
CBD laut EuGH KEIN Betäubungsmittel oder Suchtstoff
Der Europäische Gerichtshof führt ausführlich aus, dass CBD nicht unter die Single Convention über Psychotrope Stoffe und Suchtstoffe fällt. Das sei jene maßgebliche Auflistung von Stoffen, die vom freien Warenverkehr innerhalb der EU ausgeschlossen sind. Weiterhin wird erläutert, dass CBD in der Liste verbotener psychotroper Substanzen nicht auftauche, jedoch in der Liste der Suchtstoffe unter „Cannabis-Extrakt“ zu finden sei. Die Einteilung von CBD als Betäubungsmittel unter dieser Subkategorie verstoße jedoch gegen das Ziel der Gesetzgebung,
„‘die Gesundheit und das Wohl der Menschheit‘ zu schützen“.
Der EuGH führt weiterhin aus, dass CBD zum momentanen Kenntnis-Stand
„keine psychotropen Wirkungen oder schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit“ hat
„Das Verbot der Vermarktung von CBD ist nämlich eine nach Art. 34 AEUV verbotene Maßnahme […]“
Somit macht der Europäische Gerichtshof deutlich, dass CBD nicht so einfach aus einem nationalen Produkt-Sortiment verbannt werden darf. Eine nationale Ausnahme-Regelung könne lediglich über Art. 36 AEUV begründet werden. Dabei kann zum Beispiel der Schutz der nationalen Gesundheit ein stichhaltiger Grund sein. Jedoch weist der EuGH darauf hin, dass die französische Ausnahmeregelung lediglich natürliches CBD verbiete, nicht jedoch synthetisches CBD. WENN also CBD gesundheitsgefährdend sei, würden die Konsumenten und Produzenten auf synthetisches CBD ausweichen können. Somit würde das Ziel der Erhaltung der Volksgesundheit mit den bestehenden französischen Gesetzen bezüglich Hanf nicht besser erfüllt sein, also ohne das Verbot von CBD-Produkten hergestellt aus der ganzen Pflanze.
Der EuGH rügt das französische Vorgehen bei der Gefahren-Einschätzung von CBD
„Das nationale Gericht hat jedoch die verfügbaren wissenschaftlichen Daten zu würdigen, um sich zu vergewissern, dass die geltend gemachte tatsächliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit nicht auf rein hypothetischen Erwägungen beruht. Ein Vermarktungsverbot für CBD, das im Übrigen das restriktivste Hemmnis für den Handel mit in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellten und vermarkteten Produkten darstellt, kann nämlich nur erlassen werden, wenn diese Gefahr als hinreichend nachgewiesen anzusehen ist. „
Die EU schiebt also allen fadenscheinigen Begründungen vieler nationaler CBD-Verbote einen vorläufigen Riegel vor. Wir sind gespannt, ob CBD in Zukunft durch Studien als schädlich eingestuft wird, oder ob das heute verkündete Urteil die gesamte Branche befreit. Nicht vergessen sind all die Razzien in CBD-Deutschland über die letzten Monate und Jahre. Wir sind gespannt, ob die Gerechtigkeit siegt und sich auch in Deutschland langsam Klarheit bezüglich des Handels mit CBD herrscht. Wir bleiben für euch an den Geschehnissen dran.