Zufällig fiel mir ein Flyer mit der Aufschrift „KIFFERWAHN – Sagen Sie einfach: NEIN!“ in die Hände. Das machte mich natürlich neugierig, denn als aktiver Kiffer, muss ich mich ja vor dem berüchtigten Wahn hüten. Über die Webadresse auf dem Flyer landete ich beim Kartenvorverkauf der Musical Company Berlin. Kifferwahn ist nämlich eine Musical-Adaption des alten Propagandafilms und Kult-Streifens „Reefer Madness„.
Ich fragte also schnell mal an, ob mich die Musical Company über die Wahnsinnsaufführung informieren wollten. Und tatsächlich luden sie mich sofort zu einer Probe ein, wo ich ein angenehmes Gespräch mit Gregor Knape, dem künstlerischen Leiter der Company führte. Dabei unterhielten wir uns viel über Musicals, Kunst und Politik und nur sehr wenig über das Kiffen. Denn die Musicaltruppe hat mit Kiffen so erst mal nicht viel am Hut.
Rauchen ist für Sänger überhaupt nicht gut, die ja grade in hohen Tonlagen brillieren wollen.
Außerdem sind die Mitglieder eher süchtig nach unbekannten Musicals, wie zum Beispiel Kifferwahn von Kevin Murphy und Dan Studney, welches mit einer lustigen Handlung, guter Musik und erschwinglichen Aufführungsrechten überzeugt.
Wie gut nun die Company auf der Bühne ist, weiß ich nicht, denn ich habe noch kein Stück von ihnen gesehen. Ich vermute aber mal einfach, dass sie ziemlich gut sind, denn es handelt sich um eine Laientruppe mit professioneller Leitung, welche seit 12 Jahren ohne irgendwelche Zuschüsse 2 Aufführungen jährlich stemmt, wofür die Mitglieder für die Proben jeden ihrer Sonntage komplett opfern.
Damit ich aber wenigstens ein bisschen so tun kann, als hätte ich eine Ahnung, habe ich mir die Musical-Verfilmung und das Original „Reefer Madness“ angesehen. Ich muss sagen, das Musical ist um Längen besser, als der alte Film. Im Musical ist Die Handlung stringent und nachvollziehbar, unnötige Charaktere wurden weggekürzt, die unglaubliche Gefahr des Teufelskrautes Marijuana wird viel plastischer Dargestellt und es wird viel und schön gesungen.
Als Kiffer kennen wir doch alle das abnorme Bedürfnis nach Jazzmusik, die vielen Zombies und die Visionen von Gott und dem Teufel, umtanzt von verstörend spärlich bekleideten Tänzerinnen. Natürlich hat auch der alte Film seine Stärken eindringlich thematisiert, der die moralische Verwerflichkeit minderjährigen Drogenkonsums darstellt. Auch das häufige Überfahren unbeteiligter Passanten, welches uns Kiffern leidvoll bekannt ist, vermittelt der Schwarz-Weiß-Schinken drastischer. Die Verwirrung und Zusammenhanglosigkeit des Daseins schließlich, kann die originale Produktion viel besser vermitteln. Denn das wahre Leben wirkt ja oft, wie eine hilflose Improvisation völlig untalentierter Schauspieler.
Das Musical mit seinem knackigen Handlungsstrang muss abstrahieren.
Es handelt sich dabei ja auch um eine Satire aus grauester Vorzeit, an welche sich viele der heute Lebenden nicht mehr erinnern können. 1998, als das Musical erschien, gab es noch kein funktionierendes Internet für alle, der Präsident der USA hieß Bush, war aber der Vater von dem anderen Bush und musste sich für seinen Irakkrieg die Lügen noch selber ausdenken, da auch Islamismus als globalisiertes Bedrohungsszenario noch nicht erfunden war.
Man hat den Verdacht, das Musical nimmt die Drogengefahr durch Marijuana nicht wirklich ernst.
Die Droge steht nur Symbolisch für eine Bedrohung, von deren Existenz die Regierung mit allen Mitteln glauben machen will. Die Protagonisten sind nicht so vorbildlich angezogen, wie noch in den dreißiger Jahren. Aber beide Versionen lassen die „Tea Pad“ lebendig und wünschenswert erscheinen. Das ist eine gepflegte Wohnung, wo es Gras zu kaufen gibt, welches man dort gleich konsumieren kann bei gepflegter, käuflicher Gesellschaft. Zu der dort gespielten Jazzmusik werden allerdings gefährliche Propagandalügen verbreitet, vor welchen ich dringend warnen muss:
„Kiffen verlangsamt spürbar das Zeitempfinden. Die gewonnene Zeit füllen sie mit unnötigen Verzierungen, mit denen diese Voodoo-Musik weiße Frauen hypnotisiert und sie dazu bringt, sich auf geradezu unfassbare Weise zu erniedrigen.“
Das stimmt so leider nicht. Ich selbst habe in meiner Jugend sehr intensiv Marijuana geraucht und mich in Jazzmusik versucht. Dabei wurde ich nie übernatürlich virtuos und es gelang mir nicht, Frauen irgendwelcher Hautfarbe zu hypnotisieren. Aber das ist wohl künstlerische Freiheit, denn die Frauenrollen in „Kifferwahn“ sind in der modernen Fassung sehr viel plastischer gestaltet. Waren sie im Film noch eher dekorative Stichwortgeberinnen, bringen sie im Musical die Handlung aktiv voran.
Die Show verspricht also angenehme Unterhaltung, zu der man auch Freunde mitnehmen kann, die nicht kiffen.
Kifferwahn in Berlin am 17. und 18. November um 20 Uhr und am 19. November um 18 Uhr im Centre Francais Berlin in der Müllerstraße 74.