Nachdem die erste Staffel von How to sell Drugs online (fast) über ein junges Online-Drogen-Startup auf Netflix durchweg positiv aufgenommen wurde, legt bildundtonfabrik jetzt mit Staffel zwei nach. Die Geschichte um drei Gymnasiasten, welche sich mit einem riesigen Darknet-Onlineshop rasant ein dickes Ecstasy-Imperium in Europa aufbauen, spitzt sich in Staffel zwei vollends zu. Erweckte Staffel eins noch den Eindruck, Online-Drogenhandel gehe leichtfüßig und lukrativ von der Hand, offenbart die Serie nun die Risiken und Gefahren der Realität. Das ist schon ein wenig fahrlässig, den Risiko-Teil des Drogendealens erst ein Jahr später zu veröffentlichen, nachdem sich nach der rosig ansehenden Staffel eins sicherlich viele Jugendliche dazu entschieden haben, mit dem Darknetverkauf von Drogen im Internet anzufangen.
Doch in Staffel zwei erleben der mutig-größenwahnsinnige Moritz, der nerdige Lenny und der schöne Dan die eiskalten Seiten illegaler Aktivitäten. Mir persönlich gefällt an Staffel zwei sehr, wie die Charaktere mit all ihren inneren und äußeren Konflikten dargestellt werden. Beim aufmerksamen Hinsehen wird klar, wie relativ alles ist, wenn man Partner, Freunde, Familie für ein paar fragile Zahlen aufs Spiel setzt. Die Gymnasiasten im Film spiegeln die trockene Realität vieler erwachsenwerdender wieder: Was ist der Sinn des Lebens, was ist richtig, was ist falsch, wo rebelliert man in den richtigen Grenzen um die Zukunft nachhaltig zu verändern und wo gerät man in gefährliches Fahrwasser, an dessen Ende man einen riesigen Wasserfall hinunterfällt? Protagonist Moritz ist jung, mutig, strotzt vor Ideen und Tatendrang und versucht stetig, seine persönliche Erfolgskurve noch weiter nach oben schießen zu lassen. Der unscheinbare Intelligenzbolzen, welcher mit seiner Kindheitsliebe zusammen ist, einen Papa hat, der Polizist ist und ansonsten eher nicht den größten Beliebtheitsgrad in der Schule genießt, sehnt sich nach Anerkennung. Die bekommt er beispielsweise von seinen Geschäftspartnern in Rotterdam, wo er sein Ecstasy bezieht. Die lieben seine Wachstumskurven, Nutzerzahlen und Umsätze. Die zwei charmanten Mitarbeiterinnen im holländischen Kartell, die Moritz problemlos ganz ohne Gewalt unter erheblichen Druck setzen können, rätseln noch mit Moritz auf der Couch, ob es auf Deutsch wirklich „Wunderkind“ heiße, was Moritz sei.
Drogendealer sind auch nur Menschen, Moritz
Die Serie How to sell Drugs online handelt von den ganz alltäglichen Problemen von Drogendealern, über die wir in der „normalen“ Gesellschaft ja keinerlei Einblicke haben. Das an sich ist schon ziemlich interessant. Doch finden sich in der Serie auch viele Parallelen zu unseren aller Leben, besonders betreffend Work-Life-Balance, Loyalität, Vertrauen, den Wert zwischenmenschlicher Beziehungen und effizientes Zeitmanagement. Hier treffen alte und neue Weltbilder aufeinander, es wird ersichtlich, welche Probleme es geben kann, wenn unterschiedliche Gesellschaftsgruppen eine unterschiedliche Sicht auf bestimmte Themen wie Drogenkonsum haben. Aber auch, wie unterschiedliche Persönlichkeiten in sozialen Kreisen ihre ganz eigenen Rollen einnehmen, andere dominieren, sich dominieren lassen, Abhängigkeiten erzeugen und Macht ausnutzen. Oder aber zurückstecken, Augen zudrücken, schützen und bewahren. Bildundtonfabrik, die auch das Neo Magazin Royale produzieren, haben mit How to sell Drugs Online (fast) eine wirklich schöne deutsche Netflix-Original-Produktion auf die Bildschirme gebracht und sich meiner Ansicht nach erfolgreich für weitere Projekte mit Netflix positioniert.
Mein Lieblingszitat aus der Serie:
How to sell Drugs online (fast): Ein Resümee
Ich finde, die Serie erzählt einen interessanten Bereich des Lebens. Die Schwester von Moritz ist Instagrammerin und mag Kuschel-Selfies, sein Vater schenkt der Tochter als Trost für eine schlechte Nachricht einen ausgemusterten Drogenspürhund und Moritz lagert geheimerweise Ecstasy-Pillen in allen Winkeln seines Elternhauses. Dann ist da Lenny, der Programmierer der Drogen-Verkaufs-Seite, welcher einen tödlichen Tumor mit sich trägt und im Rollstuhl sitzt. Er lernt Kira im Internet kennen, eine ziemlich verlorene Seele, Tochter gescheiterter Unternehmer und frühe Von-Zu-Hause-Abhauerin, die jetzt im VW-Bus wohnt. Was das für Aufregung mit sich zieht, schaut ihr euch am besten selbst in den 6x 30 Minuten an. Verfügbar auf Netflix, Originalsprache Deutsch. Ich empfehle die Serie, die drei Stunden sind wirklich sehr lohnenswert und unterhaltsam.