Habt ihr euch auch schon mal gefragt, wie unsere sonst so disziplinierte, zielstrebige und rechtschaffende Gesellschaft mit Cannabis aussehen würde? Würde sich überhaupt etwas ändern, oder würde Cannabis gar nicht viel ändern?
Ich habe diese Fragen schon oft in dem ein oder anderen Gespräch ins Spiel gebracht und möchte euch in diesem Artikel gern an den Ergebnissen teilhaben lassen. Seht es als Gedankenspiel und platziert euren Senf gern in den Kommentaren.
1. Cannabis ist oft das bessere Medikament
Beginnen möchte ich mit dem medizinischen Potential von Cannabis. Potential deswegen, weil bis dato einfach noch zu wenige Studien und wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zum Thema existieren. Doch schon jetzt lässt sich ganz gut überblicken, wo die Reise einmal hingehen wird: Altersheime in Israel rühren THC in den nachmittäglichen Wackelpudding, um die Lebenslust zu steigern und dem Alzheimer ein wirksames Mittel entgegenzusetzen.
Krebspatienten schmälern die Auswirkungen der Chemotherapie durch die begleitende Einnahme von Cannabis – wieder andere ersetzen die Chemo gänzlich durch eine gezielte Cannabistherapie. Migränepatienten lindern mit Hilfe von Cannabis ihre zum Teil stark die Lebensqualität hemmenden Symptome, um im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf mal wieder frei zu bekommen. Patienten mit chronischen Schmerzen setzen Cannabis ein, um sich wieder halbwegs frisch zu fühlen – wer muss sich heute noch den Tag durch Rückenschmerzen versauen lassen?
Doch nicht nur zur Bekämpfung von Symptomen ist Cannabis eine gute Hilfe. Auch als prophylaktisches Powergemüse kann Cannabis wahre Wunder bewirken. Denn unsere Körper besitzt Cannabinoid-Rezeptoren sowohl im Immunsystem, als auch an Orten mit hoher Nervenzellenkonzentration, wie etwa Gehirn oder im Darm. Zudem spielt das Cannabinoid-System wohl eine relevante Rolle beim Thema Knochenbau- bzw. Aufbau.
Manche Krankheiten wie Neurodermitis oder Migräne brechen bei regelmäßiger Einnahme von Cannabis kaum noch aus. Außerdem hilft Cannabis, auch nichtpsychoaktives CBD, herrlich beim Einschlafen. Niemand muss sich nachts mit seinem Berg voller Gedanken im Bett umherwälzen, niemand muss sich mit Schlaftabletten runterfahren. Niemand sollte auf Cortison angewiesen sein, niemand sollte sich sein Leben mit Opiaten versauen. Cannabis hilft zum Beispiel auch gegen ADHS – klingt doch besser als das kreativitätszerstörende Ritalin, oder? Im Moment ist es leider schwer, Cannabis verschrieben und vor allem von der Krankenkasse bezahlt zu bekommen, solange man sich nicht schon der etablierten Chemiekeule unterzogen hat, um deren Wirkungslosigkeit oder harten Nebenwirkungen beweisen zu können.
2. Cannabis ist der Schlüssel zur Entdeckung verborgener Metaebenen
Cannabis in seiner schönsten Form wirkt natürlich psychoaktiv. Dafür sorgen Wirkstoffe wie THC oder THCV. Vor dem Begriff psychoaktiv sollten wir alle keine Angst haben, denn es ist wohl für JEDEN eine tolle Erfahrung, die Welt mal mit anderen Augen sehen zu können. Cannabis hat die Macht, uns in verborgene Welten zu führen. Einfach mal ins Bett legen, eine schöne Tüte rauchen und entspannen. Natürlich mit kuschligen Kissen und Decken, gerne auch mit dem Freund, der Freundin, dem Ehemann, der Ehefrau oder auch bei einer Übernachtungsparty mit Freundinnen und Freunden – muss ja auch nicht immer das Bett sein. Als Katalysator wirkt Goa-Musik sehr gut, mein Geheimtipp an der Stelle ist die Brainfood-Playlist von Spotify.
Wer sich auf psychedelische Erfahrungen einlässt, kann mehr oder weniger tiefe Trips erleben. Hier spielt das Setting eine wichtige Rolle, also die Umgebungsbedingungen. Doch wie sieht so ein Trip überhaupt aus, was erwartet mich? Nüchtern betrachtet lassen sich erlebte Trips schwer beschreiben. Man sieht teilweise Dinge im Halbschlaf, die lassen sich mit unserem bekannten Wissen und unseren Erfahrungen einfach nicht verknüpfen. Deshalb ist es auch so schwierig, sich an Erlebtes zu erinnern – wir wissen einfach nicht, in welche Schubladen wir die Eindrücke einordnen sollen. Und an der Stelle liegt meiner Meinung nach eine der größten Stärken von Cannabis vor – das Aufzeigen der menschlichen Ohnmacht. Nach einer krassen Erfahrung mit Cannabis oder auch anderen psychedelischen Drogen wie LSD oder DMT kann man ganz schön verklatscht sein – nicht körperlich, sondern gedanklich. Totale Überforderung kann genauso auftreten wie eine Vision oder wissenschaftliche Erkenntnis.
Cannabis lehrt dahingehend Demut. Und das hat unsere Gesellschaft nötiger denn je – denn Fakt ist, dass wir Menschen wie selbstverständlich den großen Macker auf dem blauen Planeten spielen. Wir rotten ganze Arten aus, bekriegen uns selber und denken alle irgendwo, wir wären was Besseres. Doch das sind wir nicht. Wir leben in Symbiose miteinander und sind auf den good-will unseres Gegenübers angewiesen. Unsere eigentliche Stellung in Bezug auf die Natur wird spätestens dann wieder recht deutlich, wenn tausende Menschen bei einem Tsunami sterben und abertausende Sachwerte und ganze Lebensräume mit einem Mal weggeschwemmt werden.
Hallo, wir sind nicht allmächtig. Und wir verstehen auch nicht alles – weshalb wir Menschen uns über die letzten tausend Jahre einfach unsere eigene, kleine Wirklichkeit erschaffen haben. Cannabis gibt uns die Möglichkeit, unsere Stellung zu erkennen und einzusehen, dass wir nicht alles wissen (können).
3. Cannabis entschleunigt
Kennst du das, wenn du nach einem stressigen Arbeitstag nach Hause kommst und der Kopf immer noch auf Hochtouren läuft? Ruhe und Entspannung wird in unserer schnelllebigen und hektischen Zeit zum absoluten Luxusgut – denn wer hat überhaupt noch Zeit? Ist es nicht so, dass wir uns an allen Ecken und Kanten Zeit stehlen lassen? Sei es durch fordernde Arbeitgeber, durch nervtötende Staus oder den Rechner, der mal wieder zu lange zum hochfahren braucht. Heute geht es in vielen Situationen darum, die täglichen Prozesse durch zu optimieren, Kosten zu drücken und Durchlaufzeiten zu senken. Hallo, unendliches Wirtschaftswachstum.
Sehr gut wird das an unserem unnachgiebigen Bedarf an Mobilität gezeigt. In unserer Dienstleistungsgesellschaft geht es oft darum, den Besten oder die Beste auf einem Gebiet zu bekommen. Sei es in der Werbung, der IT, in der Musik oder im Sport. Wer gut ist, muss auch mobil sein. Heute Nairobi, morgen Peking und abends geht es dann gleich weiter nach Seattle. Muss ja, schließlich sind alle auf den schnellen Takt eingeschworen. Zeitzonen werden überrannt, im Bedarfsfall einfach mit dem Learjet überflogen.
Der Mensch hat sich irgendwann selbst gegeiselt, indem der Takt des Lebens immer schneller immer schneller erhöht wurde. Exponentielles Wachstum würde ich sagen – doch was nützen uns die ganzen Innovationen am Ende des Tages? Waren die Römer unglücklicher, weil sie ihre Städte nicht mit dreckigen Dieseln und zähen Staus verstopft haben? Waren sie unglücklicher, weil sie noch kein pestizidverseuchtes Essen auf dem Teller hatten? Waren sie unglücklicher, weil sie nicht so und so viel Prozent ihrer Fläche mit Beton und Asphalt versiegelt haben?
Natürlich hat ihnen das alles nicht gefehlt – dafür hatten sie natürlich andere Sorgen wie Hungersnöte, Brände und Sklaverei. Doch unterm Strich geht es uns heute sicherlich nicht besser, nur weil wir Tag für Tag Symptome mit neuen Problemen bekämpfen. Probleme wird es immer geben – doch traurig ist, wenn dafür das ach so geheiligte Unternehmertum mit dem Wohl der Gesellschaft spielt. Denn mal Butter bei die Fische: Von der Erfindung des Autos profitieren doch vor allem die Autohersteller – und nicht die vielen Menschen, die durch diese Erfindung jeden Tag im Stau stehen, ganz zu schweigen von denen, die nicht mal ein Auto besitzen und sich mit dem Fahrrad durch versmoggte Innenstädte kämpfen.
Cannabis kann vielleicht nicht die Industrialisierung rückgängig machen – aber Cannabis schafft die besseren Raucherpausen. Vier, fünf Stunden lang einfach mal entschleunigt entspannen – wäre es nicht toll, wenn jeder Mensch diese Möglichkeit hätte? Gerne auch auf der 4,5 Stunden langen Fahrt von Frankfurt nach Dresden vom Geschäftstermin nach Hause. Einfach mal den Rechner in der Tasche lassen und beseelt aus dem Fenster schauen – warum auch nicht?
4. Cannabis verbindet
Apropos bessere Raucherpause: Wer sich noch oder schon in der Clubszene seiner Stadt herumtreibt, kennt sie sicher: Umhergehende Joints in der tanzenden Menge oder entspannte Gruppen mit Ganja vor den Türen der Tanzschuppen. Da hat immer jemand Ott dabei, ziehen darf natürlich jeder mal. Jetzt stell dir mal vor, Cannabis ist legal: Werden wir dann nach Arbeitsschluss auf den Feuertreppen von Fabrikhallen kiffende Feierabendgenießer mit einem Joint in der Hand in Richtung Sonnenuntergang blicken sehen, während Vorarbeiter und Gesellen auf gleicher Ebene miteinander philosophieren? Werden wir in der Opernpause kiffende Pärchen oder befreundete Ehepaare in Abendkleid und edlem Zwirn auf den Balkon treten sehen oder auf Abi-Feiern Lehrer und Schüler zusammen einen durchziehen?
Wer weiß, sind ja alles nur Spekulationen. Aber Fakt ist, dass Cannabis eine sehr gesellschaftsfähige Droge ist. Nette Nebeneffekte: Cannabis entspannt, macht friedlich und empfänglich für ein breites Meinungsbild. Ich hasse den Vergleich zwischen Cannabis und Alkohol, aber an der Stelle kann ich ihn mir schwer verkneifen: Während Alkohol zeitweise Aggressionen fördert und gern auch mal ein Gespräch durch einen unverhofften Gang aufs Klo oder die nächste Hecke abrupt unterbricht, kann man auf Cannabis herrlich ruhig über die Welt philosophieren, ohne andauernd den Drang zu haben, seinem Gegenüber gleich ins Wort fallen zu müssen.
Noch ein Stück weitergedacht, sorgt das für eine gesteigerte Toleranz gegenüber seinen Mitmenschen und damit für ein Stück mehr Frieden in unserer doch recht egozentrischen Welt. Links, rechts, mitte, oben, unten – sind das wirklich Kategorien, in denen wir denken und andere Menschen einordnen sollten? Ist es nicht voll okay, wenn man über alles reden kann, ohne automatisch alles zu werten oder für gut oder schlecht zu befinden?
Ich denke schon. Denn es gibt kein richtig oder falsch – es gibt immer nur auf bekannten Fakten basierende Meinungen. Sieht man doch gut im Bundestag – da wird per se alles für Fakt erklärt. Da werden fragwürdige Studien zitiert oder Meinungen höher gewichtet, als eigentlich gesund wäre. So oft werden ausführlich und zeitaufwändig erstellte Gesetzesentwürfe kategorisch abgelehnt – andere Meinungen oder Argumentationen Ernst zu nehmen oder zu diskutieren scheint in Zeiten von GroKos und Koalitionsverträgen nicht mehr relevant.
Ich könnte an der Stelle noch Stunden über das Thema schwadronieren – aber das wichtigste ist wahrscheinlich nach den ersten vierhundert Wörtern schon gesagt worden.
Von daher an der Stelle nur noch einmal mein ganz persönlicher Wunsch: Auch wenn eine Legalisierung nicht unbedingt in Griffweite zu sein scheint, sollte jeder bekennende Kiffer einmal mit seinen Verwandten und Freunden einen gemeinsamen Joint rauchen – vielleicht auch zwei, fünf oder zwanzig. Jeder sollte die Chance bekommen, das Potenzial von Cannabis wenigstens einmal zu kosten – dann ist die Legalisierung auch nicht mehr so weit weg. Gerne auch ein gewisser Herr Spahn, den wir wohl in den nächsten vier Jahren als unseren Gesundheitsminister willkommen heißen dürfen.