Ich finde, jeder Cannabis-Enthusiast sollte auch die körpereigenen Prozesse im Zusammenspiel mit Cannabinoiden verstehen. Um das Endocannabinoid-System verstehen zu können, sollte jedoch erstmal das normale Nervensystem verstanden werden. Denn das Endocannabinoid-System an sich ist selbst nur ein Teil des Nervensystems, welches unseren ganzen Körper durchzieht. Dementsprechend gibt es viele Parallelen.
Das Nervensystem
Das Nervensystem bildet die Grundlage für fast alle körpereigenen Prozesse. Es fungiert als Signalgeber, als Informationsleiter uns als Voraussetzung für Umweltanpassungen. Bei DocCheck findet sich folgende Definition
Das Nervensystem ist der Teil des menschlichen Organismus, welcher der Reizwahrnehmung, der Reizverarbeitung und der Reaktionssteuerung dient. Es bildet den Regelkreis des Verhaltens auf äußere und innere Reize und besteht morphologisch aus vernetzten Nervenzellen, den Neuronen, sowie aus Gliazellen.
Um die Funktionsweise des Nervensystems zu verstehen, ist es wichtig, die wichtigsten Bestandteile zu kennen. Denn wie hat mein Biologie-Lehrer immer gepredigt? Bau und Funktion sind DER elementare Zusammenhang in der Biologie. Das gilt für die Anpassungsfähigkeit von Cannabis-Pflanzen genauso wie für unser Nervensystem.
Zunächst gliedert sich das Nervensystem in das zentrale und periphere Nervensystem. Das zentrale Nervensystem besteht aus Rückenmark und Gehirn und hat die Aufgabe, eintreffende Informationen zu verarbeiten. Und das periphere Nervensystem? Das umfasst alle Nervenzellen- und Fasern, die nicht zum zentralen Nervensystem gehören. Das erinnert mich an meinen Lateinlehrer: „Hauptsätze sind alle Sätze, die kein Nebensatz sind“. Na danke auch.
Die Nervenzelle
Nachdem das „Grobe“ geklärt ist, gehen wir eine Ebene tiefer. Im mikroskopischen Maßstab besteht das Nervensystem aus Nervenzellen (Neuronen) und Gliazellen. Die typische menschliche Nervenzelle besteht aus einem Zellkörper, von dem sowohl Dendriten als auch Neuriten abgehen. Dendriten nehmen Erregungen auf, während Neuriten Informationen weiterleiten. Die Neuriten, also die Erregungsleiter, nennt man auch Axone und sind von den sogenannten Glia-Zellen umhüllt – diese bilden eine Schutzbarriere.
Während die zu übertragenden Signale innerhalb der Axone elektrisch geleitet werden, wird der Übergang zur nächsten Zelle mit Hilfe der sogenannten Synapsen erreicht. Und jetzt heißt es aufgepasst, denn das ist Grundlage zum Verstehen des Endocannabinoid-Systems: Mit Hilfe von Botenstoffen, auch Neurotransmitter genannt, werden Rezeptoren besetzt. Das funktioniert nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip, welches sicherstellt, dass bestimmte Rezeptoren auch nur durch bestimmte Neurotransmitter besetzen können. Denn je nach Kombination folgen ganz bestimmte Folgereaktionen.
Zum besseren Verständnis empfehle ich Dir an der Stelle noch eine halbwegs intensive Auseinandersetzung mit folgendem Schaubild. Denn zugegeben: Die Thematik ist nicht so super trivial.
Ein Puzzleteil, welches für das Endocannabinoid-System nicht wirklich relevant, aber doch ganz gut zu wissen ist, möchte ich Dir an der Stelle nicht vorenthalten. Denn wie kommt der Körper denn überhaupt zu seinen Reizen? Dafür gibt es speziell ausgebildete Rezeptorzellen, die auf die Wahrnehmung ganz bestimmter Reize getrimmt sind. So sind die Sinneszellen der Netzhaut dafür ausgelegt, auf Licht zu reagieren. Rezeptorzellen in der Haut dagegen können Schmerz oder Temperaturschwankungen wahrnehmen. Die genauen biochemischen Prozesse würden jetzt allerdings den Rahmen sprengen.
Das Endocannabinoid-System
Nachdem die grundsätzliche Wirkweise unseres Nervensystems jetzt bekannt ist, kommt der Part mit den Cannabinoiden. Das Endocannabinoid-System ist wie schon gesagt ein spezieller Teil des Nervensystems, welcher durch die CB1- und CB2-Rezeptoren charakterisiert wird. Diese Rezeptoren werden durch bestimmte Liganden (Botenstoffe) besetzt. Solche Liganden sind zum Beispiel das körpereigene (endogene) Anandamid oder das körperfremde (exogene) THC.
Unterschied CB1- und CB2-Rezeptor
Die CB1-Rezeptoren kommen vorwiegend in den Nervenzellen des Kleinhirns, des Mittelhirns sowie des Hippocampus vor. Doch nicht nur in Teilen des zentralen Nervensystems lassen sich CB1-Rezetoren finden, sondern auch im peripheren. So zum Beispiel im Darm.
CB2-Rezeptoren wurden dagegen vorwiegend bei Zellen des Immunsystems oder knochenwachstumssteuernden Zellen gefunden. Bei einigen Tierarten auch im Zentralnervensystem.
CB1-Rezeptoren haben Auswirkungen auf die Entwicklung des Gehirns, wenn sie durch einen Liganden besetzt werden. Besonders an der Schmerzhemmung (=Glücksgefühl) sind Cannabinoide maßgeblich beteiligt – bei einem gesunden Körper wird bei Schmerz das körpereigene Anandamid freigesetzt. Beim andocken an den CB1-Rezeptor werden nachfolgende Prozesse gestartet, die eine Schmerzlinderung bewirken. Das kann sowohl durch körpereigene, als auch körperfremde Cannabinoide geschehen.
Des Weiteren ist ein an den CB1-Rezeptor andockender Ligand für die Minderung von Entzugssymptomatiken, vermehrten Appetit oder Angstminderung verantwortlich. Außerdem wird vermutet, dass Endocannabinoide Lern- und Bewegungsprozesse beeinflussen.
Die CB2-Rezeptoren sind leider noch weniger erforscht, jedoch geht man davon aus, dass sie eine elementare Rolle bei der Regulation des Immunsystems spielen. Außerdem gibt es erste Untersuchungen, die nahelegen, dass die Aktivierung von CB2-Rezeptoren positive Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf von Alzheimer nimmt.
Agonisten und Antagonisten
Die Liganden, also die Schlüssel, welche die Schlösser besetzen, teilen sich in zwei Arten auf: Agonisten und Antagonisten. An der Stelle möchte ich gerne Wikipedia zitieren, denn dort wird treffend formuliert:
Als Agonist (von griechisch αγωνιστής agonistís – der Tätige, Handelnde, Führende) wird in der Pharmakologie eine Substanz (Ligand) bezeichnet, die durch Besetzung eines Rezeptors die Signaltransduktion in der zugehörigen Zelle aktiviert. Ein Agonist kann sowohl eine körpereigene Substanz sein (z. B. ein Hormon oder ein Neurotransmitter) als auch ein nicht-körpereigener Wirkstoff, der einen bestimmten Botenstoff in seiner Wirkung imitiert bzw. ersetzt. Chemische Verbindungen, die zwar an einen Rezeptor binden, diesen aber nicht aktivieren, und somit blockieren und hemmend wirken, bezeichnet man dagegen als Antagonist.
Interessant ist in dem Zusammenhang, dass THC als Agonist gilt, CBD jedoch teilweise als Antagonist. Und tatsächlich lassen sich dahingehend Parallelen zum echten Leben feststellen: Denn CBD hemmt eindeutig die psychoaktive Wirkung von THC, weshalb CBD-Blüten sich wohl nie als Tabakersatz für die Unbelehrbaren durchsetzen werden.
Unterm Strich…
…möchte ich noch einmal zusammenfassen: Cannabinoide gibt es sowohl im Körper (Anandamid), als auch extern (THC). Diese Cannabinoide wirken als Neurotransmitter (Botenstoffe), indem sie Rezeptoren (CB1 & CB2) besetzen. Dadurch werden spezifische Folgereaktionen ausgelöst. Solche Folgereaktionen können Hunger, Angstlosigkeit und verringertes Schmerzempfinden bedingen.