Titelbild: Marilyn Monroes first Joint
Als ich zur Schule ging, habe ich mich zuletzt gefragt, wie manche Themen spannender und umfassender gelernt werden könnten. Ausgangspunkt einer meiner Ideen war das Fach „Geschichte“. Man könne alle Fächer chronologisch auf die Themen in Geschichte abstimmen. Also wenn man bei den Ägyptern oder China als älteste Kulturen beginnt, würde man in Physik, Biologie und Chemie das lehren, was man damals entdeckte und verstand, z.B. die Hebelkräfte oder die Kultivierung von Flora und Fauna (Ackerbau und Viehzucht) und veranschaulichen, warum dies damals gelang und auch heute einem Teenager verständlich sein sollte.
Ein Thema könnte auch die Kulturgeschichte des Alkohols sein oder eben die von Cannabis. Die Chemiker hätten sicher ihren Spaß, mal molekular zu erklären, was die spannenden Bestandteile sind, wie die Gärung funktioniert und die Biologen können dann nahtlos die Wirkungen im menschlichen Körper veranschaulichen. (Wer den Film „Die Feuerzangenbowle“ kennt, weiß, dass es da schon früher didaktische Versuche gab.)
Nun gut, soweit ist es bis heute leider nicht gekommen. Und ich bin selbst kein Lehrer geworden, um meine Ideen mal auszuprobieren. Aber das Interesse ist an kontextueller Geschichte ist geblieben. Deshalb habe ich mich mal mit der Kulturgeschichte von Cannabis beschäftigt. Und die ist durchaus spannend und weitreichend. Hier mal in aller Kürze:
China: Cannabis hat eine lange Geschichte in China, wo es bereits vor Tausenden von Jahren für medizinische Zwecke genutzt wurde. Archäologische Funde aus der Yanghai-Gräberstätte in der Xinjiang-Region belegen die Verwendung von Cannabis vor etwa 2500 Jahren. Der legendäre chinesische Kaiser Shen-Nung, auch bekannt als der „göttliche Bauer“, wird oft als einer der ersten medizinischen Anwender von Cannabis genannt. Um 2737 v. Chr. empfahl er Cannabis für verschiedene Beschwerden wie Beriberi, Verstopfung und Rheuma. Die chinesische Enzyklopädie „Pinyin Shen-Nung ben Cao Jing“ beschreibt Hunderte von Heilmitteln pflanzlichen Ursprungs, darunter auch Cannabis.
Indien: In Indien spielte Cannabis sowohl in der Medizin als auch in religiösen Ritualen eine bedeutende Rolle. Die „Veden„, eine Sammlung religiöser Texte im Hinduismus, beschreiben Cannabis als heilige Pflanze, die von den Göttern erschaffen wurde. Es wurde in Ritualen verwendet, um vor Feinden zu schützen, böse Kräfte zu vertreiben und beim Meditieren zu helfen. Medizinisch wurde Cannabis zur Behandlung von Lepra, Durchfall, Fieber und anderen Beschwerden eingesetzt. Bekannte ayurvedische Texte wie das „Sushruta Samhita“ und das „Rajavallabha“ empfahlen Cannabis als Lebenselixier, Aphrodisiakum und zur Behandlung verschiedener Krankheiten.
Altes Persien und Assyrien: Im alten Persien und im Assyrischen Reich wurde Cannabis sowohl äußerlich als auch innerlich angewendet. Es wurde in Salben zur Behandlung von Abszessen und zur Linderung von Schmerzen eingesetzt. Innerlich wurde es bei Depressionen, Impotenz und anderen Beschwerden verwendet. In Augenarzneimitteln wurde Cannabis erstmals im mittleren Osten verwendet, und auch bei der Geburtshilfe kam es zum Einsatz.
Skythen: Die Skythen, ein Reiternomadenvolk, das in der eurasischen Steppe lebte, nutzten Cannabis in ihren Beerdigungsritualen. Herodot berichtet, dass sie Cannabisdämpfe inhalierten, um in Trancezustände zu gelangen und mit den Toten zu kommunizieren. Archäologische Funde in den Hügelgräbern von Pazyryk in Südrussland belegen diese Praxis.
Altes Griechenland und Rom: Im antiken Griechenland und Rom wurde Cannabis nicht so häufig verwendet wie in anderen Kulturen, aber seine medizinischen Eigenschaften wurden dennoch erwähnt. Dioskurides und Plinius der Ältere beschrieben Cannabis als Mittel gegen Ohrenschmerzen, Entzündungen und Würmer. Der griechische Arzt Galen, der in Rom hoher Ansehen genoß, erwähnte seine appetitanregende Wirkung und seine Anwendung bei Schmerzen und Verdauungsbeschwerden. In der Veterinärmedizin wurde Cannabis auch bei Pferden zur Behandlung von Wunden und Schmerzen eingesetzt.
Mittelalter und Renaissance: Im Mittelalter und der Renaissance fand Cannabis Eingang in zahlreiche Kräuterbücher und wurde als Allheilmittel betrachtet. Hildegard von Bingen und Leonhart Fuchs waren einige der Persönlichkeiten, die über Cannabis schrieben und seine Anwendungen beschrieben. Die Verwendung von Cannabis als Heilmittel verbreitete sich weiter in Europa und führte zu einer Blütezeit im 16. Jahrhundert.
In der Renaissancezeit brachten weiterhin viele Forscher und Weltreisende Berichte sowie auch getrocknete Pflanzen v.a. aus dem mittleren Osten und Indien in die Heimat, wodurch viele neue Erkenntnisse über fremdländische Pflanzen gewonnen wurden. Beispielsweise berichtet der berühmte portugiesische Arzt Garcia da Orta (1499–1568) in seinem Werk „Coloquios dos Simples e Drogas da India“ (1563) von der Anwendung von Cannabis als Beruhigungsmit- tel. Garcia da Orta züchtete in seinem Garten in Goa selbst Cannabis.
Europa und USA im 19. Jahrhundert: Im 19. Jahrhundert erlebte Cannabis seine Blütezeit als eines der am häufigsten verwendete Arzneimittel in Europa und den USA. Es wurde für eine Vielzahl von Beschwerden eingesetzt, von Migräne bis hin zu Schlafstörungen, und fand sogar Verwendung als Anästhetikum bei Operationen. Cannabis wurde in verschiedenen Darreichungsformen wie Tinkturen, Pillen und Ölen verabreicht und war in fast jeder Apotheke erhältlich. Sogar in Kriegszeiten wurde Cannabis verwendet, um die Leistungsfähigkeit der Soldaten zu steigern und Schmerzen zu lindern.
Cannabis war eigentlich bis ins beginnende 20. Jahrhundert in USA und Europa etabliert und weitgehend als wirksames Naturheilmittel verbreitet. Doch dann kam ein einzelner Mann, der alles daransetzte, dieses Kraut zu verteufeln: Harry J. Anslinger. Sein propagandistischer Feldzug in den USA über fast 30 Jahre hatte so viel Erfolg, dass die Verteuflung und damit verbreiteten Ängste noch heute überwiegen. Dass er als oberster US- Drogenbeauftragter 1961 endlich entlassen wurde, verdankt sich J.F. Kennedy, der vermutlich selbst Marihuana-Konsument war. Die ganze Geschichte über Anslinger findet ihr in diesem Artikel.
Noch ein paar interessante Anekdoten:
Shakespeare in Love with Cannabis? Seit südafrikanische Wissenschaftler den Nachweis erbrachten, dass sich in den Pfeifen, die man in Shakespeare Garten ausgegraben hat, Nachweise für Cannabis finden, drehen die Literaturwissenschaftler am Rad. Sollte womöglich die unerklärliche Schaffenskraft dieses Kulturgiganten nur auf der Basis von Drogen erklärlich sein? Entsetzen über die Folgen einer solchen Vorbildfunktion. Was nicht sein darf, darf nicht sein. Deshalb bemühten sich seither viele um relativierende Erklärungen für die Pfeifenrückstände. Dabei muss man doch einfach mal nur den „Sommernachtstraum“ lesen oder besser noch ansehen. Kann man sowas ohne Drogen aufs Papier und auf die Bühne bringen?
Napoleons Entdeckung in Ägypten: Während seiner Feldzüge in Ägypten im späten 18. Jahrhundert entdeckten Napoleons Truppen die entspannende Wirkung von Cannabis. Die Soldaten inhalierten Cannabisdämpfe, um die Strapazen der Schlachten zu bewältigen und sich zu entspannen.
Krischan mit der Piepe: Die Geschichte von „Krischan mit der Piepe“ von Wilhelm Busch, die erstmals 1864 erschien, ist eine satirische Darstellung der Folgen des Hanfrauchens. Die Geschichte erzählt von einem kleinen Jungen namens Krischan, der heimlich Cannabis raucht und einen Horrortrip erlebt, als er von seinen Eltern erwischt wird. Diese Geschichte illustriert auf humorvolle Weise die möglichen Auswirkungen des Drogenkonsums.
Die Verwendung von Cannabis in Hollywood: Schon in den 1930er und 1940er Jahren war Cannabis in Hollywood beliebt. Zahlreiche Stars wie Marilyn Monroe und Cary Grant sollen Cannabis konsumiert haben, um sich zu entspannen und kreativ zu sein.
Die Rolle von Cannabis in der Musikszene: Schon vor 1960er und 1970er Jahren, als Cannabis zu einem Symbol der Gegenkultur und der Rockmusik wurde, hatten schon Jazz-Musiker die inspirierende Wirkung für sich entdeckt. Künstler wie Louis Armstrong und Duke Ellington waren dafür bekannt, Cannabis zu konsumieren. Der Rest der Geschichte zur Musik und Cannabis ist weitestgehend bekannt.
Einen besonderen Hype dürfte noch die wachsende Beliebtheit von Reggae-Musik aus Jamaika beigetragen haben. Dort ist Marihuana eng mit der Rastafari-Kultur verbunden. Rastafarians betrachten die Pflanze, die sie „Ganja“ nennen, als heiliges Kraut und Mittel zur spirituellen Erleuchtung. Künstler wie Bob Marley wurden zu internationalen Ikonen und verbreiteten mit ihrer Musik Botschaften der sozialen Gerechtigkeit, der Spiritualität und des Einsatzes für Cannabis.
Daneben gibt es noch einige Prominenz, die öffentlich zu ihrem Cannabis-Konsum gestanden hat. Unter anderem drei US-Präsidenten: Georg Washington (vermutlich), J.F. Kennedy (ziemlich sicher) und Barack Obama (ganz sicher). Ausführliche Quelle: Geschichte von Cannabis als Arznei- und Rauschmittel