„Wer kifft, träumt nicht.“ Diesen Satz haben die meisten Cannabis-Konsumenten mindestens einmal in ihrem Leben gehört. Das ist natürlich völliger Quatsch, denn träumen, tun wir immer. Die Frage ist nur, ob wir uns am nächsten Morgen an das Geträumte erinnern. Und insbesondere die Tatsache, dass Cannabiskonsumenten weniger intensiv träumen, gilt für viele Skeptiker als bewiesen. Die Wissenschaft sieht das Ganze jedoch ein wenig anders. Träume sind für unseren Organismus bedeutungsvoll, denn hier verarbeiten wir erlebtes aus der Wachwelt. Cannabis ist dafür bekannt, bei Schlafproblemen eine große Hilfe zu sein. Im Gegenzug berichten aber viele Cannabiskonsumenten davon, dass sie weniger genauer gesagt weniger bewusst träumen, seitdem sie Cannabis konsumieren. Wir fragen uns, was ist dran an den Gerüchten rund um das potente Grün im Zusammenhang mit unseren Träumen?
Warum träumen wir – unsere Schlafphasen
1. Oberflächlicher Schlaf
Schlummer, Schlummer… In dieser Phase passiert nicht sonderlich viel – bis auf dass wir langsam, aber sicher eindösen. Hier kommt es bei einigen Menschen zu Muskelzuckungen, welche auch Hypnagoge Zuckungen oder Einschlafzuckungen genannt werden. Die Zuckungen resultieren daraus, da der Körper und Geist sich auf das Schlafengehen vorbereiten.
2. REM-Schlaf
Hier wird es spannend, denn mit der REM-Schlafphase beginnt unser Einstieg in die Traumwelt. An Träume aus dieser Phase können wir uns teilweise erinnern.
3. Tiefschlaf
So schön Träume auch sind – in der Tiefschlafphase erholt sich unser Körper. In Traumwelten bewegen wir uns in dieser Phase nicht.
Nun kommt es aber vor, dass einige Menschen von lebhaften Träumen erzählen, die sie stellenweise sogar steuern können. Andere wiederum können sich kaum das Geträumte erinnern und messen diesen auch nur wenig Bedeutung bei. Die Fähigkeit sich an das Geträumte zu erinnern, ist laut einiger Studien jedoch variabel und hat weniger mit Talent oder genetischen Einflüssen zu tun. So stellt sich zunächst die Frage, ob alle Menschen jede Nacht träumen – verschiedene Weckungen in Schlaflaboren deuten hierbei auf ein „Ja“ hin. So weckten die Forscher ihrer Probanden aus dem REM-Schlaf, was zur Folge hatte, dass fast 100 % der Probanden in der Lage waren, sich an ihren Traum erinnern. Laut der Forscher gäbe es also keinen Grund, davon auszugehen, dass die kontinuierliche Bewusstseinsaktivität, die im Wachzustand vorhanden ist, im Schlaf unterbrochen wird. Ganz nach dem Motto: Das Gehirn und das Bewusstsein schlafen nie.
Was passiert da in unserem Gehirn?
Forscher gingen früher davon aus, dass Träume wie eine Art Filmstreifen in unserem Gehirn abgespielt werden und dafür nur ein kleiner Teil unseres Gehirns verantwortlich ist. Heute wissen wir, dass das gesamte Gehirn an unseren Träumen beteiligt ist. Sowohl das Sprachzentrum als auch das Areal im Motorkortex. Dennoch, die Natur hat es so vorgesehen, dass die Impulse vom Motorkortex zu den Muskelzellen im Hirnstamm aktiv blockiert werden, um sicherzustellen, dass wir ruhig schlafen können, wenn wir uns in der REM-Schlafphase befinden. Die Zeitwahrnehmung hingegen entspricht weitestgehend der real ablaufenden Zeit. Unsere Träume laufen also nicht im Zeitraffer ab, auch wenn wir manchmal ziemlich schnell von einem Traum in den nächsten springen. Der Grund, warum wir unsere Träume dennoch häufig als sehr rasant wahrnehmen, liegt der Tatsache zugrunde, dass in unseren Träumen kaum etwas Langweiliges passiert, was uns das Gefühl vermitteln würde, dass die Zeit stillsteht.
Auch das limbische System ist in unserer Traumwelt aktiv. Also das System, welches unsere Emotionen steuert. Forscher haben herausgefunden, dass diese Areal in der REM-Phase sogar aktiver arbeitet, als wenn wir wach sind. Das passt perfekt, denn oft haben wir Träume, die emotional so aufreibend sind, dass wir sogar in der Wachwelt noch daran zu nagen haben. Dann wäre da noch der präfrontale Kortex, welcher in der Traumwelt weniger aktiv ist. Dieses Areal ist für das planerische Denken verantwortlich und könnte eine Erklärung dafür sein, warum unsere Träume manchmal so verwirrend erscheinen.
Großteil der Studienergebnisse aus den 70er-Jahren „uneindeutig“
Anfang der 70er-Jahre gewann die Schlafforschung immer mehr an Bedeutung. So gab es mehrere Studien, die untersucht haben, ob und wie sich der Konsum von Cannabis auf unseren Schlaf und die Fähigkeit zu Träumen auswirkt. Hierfür machten brachten die damals beteiligten Forscher eine Handvoll Kiffer in die Labore und hängten diese an ein Elektroenzephalogramm (EEG), um die Gehirnaktivitäten zu überwachen. Die Resultate aus diesen Untersuchungen haben bis heute einen großen Einfluss darauf, wie wir den Einfluss von Cannabis auf unseren ruhenden Geist bewerten. So kamen die Forscher damals unter anderem zu dem Ergebnis, dass der REM-Schlaf, also die Schlafphase, in der unser Gehirn am aktivsten ist und wir am meisten träumen, durch den Einfluss von Cannabis verkürzt wird. Nicht zuletzt deshalb kam wohl auch der Irrglaube auf, dass Stoner grundsätzlich nicht träumen.
Eine Studie aus dem Jahr 1976, die auch eine kurze Analyse themenbezogener Literatur mit einschloss jedoch, untersuchte den Einfluss von Cannabis auf unseren Schlaf erneut und kam zu dem Ergebnis, dass der Großteil der damaligen Untersuchungen „uneindeutig“ sind. Der Schlafforscher und Autor der Studie Ismet Karacan hatte festgestellt, dass der Anteil von REM-Schlaf zwar tendenziell abnahm, wenn ihre Probanden Cannabis konsumiert hatten, anders als in den Nächten, als sie nur ein Placebo bekommen hatten. Bei genauerer Untersuchung stellte der Schlafforscher jedoch fest, dass die damaligen Untersuchungen voller statistischer Fehler steckten und die Ergebnisse nicht nachgebildet werden konnte.
Timothy Roehrs, Forschungsdirektor des Henry Ford Sleep Disorder Center erklärt dies wie folgt:
„Das Problem ist, dass keine der durchgeführten Untersuchungen—und davon gibt es einige—sorgfältig überprüft wurde.“
Außerdem sei die Dosis des berauschenden Cannabisanteils THC nicht gut dokumentiert worden und es gab auch keine Placebo-kontrollierte Studie. Schaut man sich die Studien genau an, erkenne man, dass der Einfluss von Cannabis auf den REM-Schlaf mehrdeutig sei. So wird aus den Daten nicht eindeutig ersichtlich, ob Cannabis tatsächlich konsistente Auswirkungen auf den REM-Schlaf hat.
So wirkt sich Cannabis auf unsere Traumwelt aus
Ich persönlich kann dem Gerücht, dass Cannabis-Konsumenten nicht träumen, wenig abtun. Im Gegenteil: Meine Träume sind meist viel intensiver und vor allem verwirrender als nüchtern. Dass ich weniger träume, wenn ich Cannabis konsumiert habe, kann ich so nicht bestätigen und Fakt ist, Cannabiskonsumenten träumen natürlich, nur die Erinnerung am nächsten Morgen bleibt in manchen Fällen aus. Woran das liegt, weiß die Wissenschaft bis dato nicht genau.
Eine 2008 im Magazin „Sleep“ veröffentlichte Studie legt außerdem nahe, dass regelmäßige Cannabiskonsumenten weniger Zeit in der REM-Phase ihres Schlafzyklus verbringen als Nicht-Konsumenten. Das passt auch zu der Aussage des Wissenschaftlers und Schlafforschers Ismet Karacan und in Anbetracht dessen, dass wir vorwiegend in der REM-Phase träumen, ist es wahrscheinlich, dass intensive Cannabisnutzer, die weniger REM-Schlafstunden durchleben, folgerichtig auch weniger träumen. Wie sich der jeweilige Cannabiskonsum letztlich auf unsere Traumwelt auswirkt, hängt von mehreren Faktoren ab. So nutzen viele Stoner Cannabis als Einschlafhilfe, wobei auch Studien darauf hinweisen, dass Cannabis in Verbindung mit dem Endocannabinoid-System eine ausschlaggebende Rolle dabei spielt, wie fest und wie lange wir schlafen. Die Forschung geht davon aus, dass bestimmte Cannabissorten die Zeitdauer beeinflussen, welche wir zum Einschlafen benötigen und auch unser Verhalten nach dem Aufwachen verändern könnten.