Gras und Pneumothorax
Unter Kiffern hört man regelmäßig von Leuten, die einen Pneumothorax, oder auch „Lungenriss“ bekommen haben.
Nicht nur, dass man jemand kennt, der einen kennt. Von dieser Atemwegserkrankung gibt es tatsächlich viele Betroffene, die aus erster Hand davon berichten können. Ich kenne zwei Leute und so ziemlich jeder Kiffer, mit dem man sich unterhält, weiß ein oder zwei Fälle in seinem Bekanntenkreis. Dann traf ich da noch den Unfallchirurgen, dem unter den Lungenpatienten vermehrt Kiffer aufgefallen sind.
Da fragt man sich doch manchmal, natürlich nur heimlich, in ruhigen Momenten, wenn Frau Mortler bestimmt nicht mithört: Kann Kiffen Pneumothorax auslösen? Was ist überhaupt ein Pneumothorax? Und wenn ja, wie gefährlich ist der?
Pneumothorax gibt es, wird mit Rauchen in Verbindung gebracht, ist relativ einfach zu heilen, aber kann, unerkannt, lebensbedrohliche Komplikationen auslösen. Von offizieller Seite gibt es keine Warnungen für Kiffer. Wenn es so wäre, würde man es uns bestimmt schon in Broschüren und Fernsehinterviews um die Ohren hauen. Entweder, es besteht gar kein Zusammenhang, oder aber er lässt sich nicht nachweisen, weil es letztlich keiner wissen will.
Von einem Pneumothorax spricht man, wenn Luft in den Pleuraspalt gerät.
Der Pleuraspalt ist der Zwischenraum zwischen innerer und äußerer Organhülle der Lunge. Normalerweise herrscht dort ein Vakuum, welches dafür sorgt, dass die Lunge an ihrer äußeren Hülle klebt, wie zwei Glasplättchen mit einem Wassertropfen dazwischen. Dadurch wird die Lunge offen gehalten, haftet am Brustkorb und kann die Pumpbewegungen der Atemmuskulatur mitmachen.
Wenn da irgendwie Luft reinkommt, verkleinert sich das Lungenvolumen. Ist die Luftblase zu groß, kann der betroffene Lungenflügel zusammenfallen und gänzlich seine Funktion verlieren. Wird die Luftblase bei jedem Atemzug größer, kann sie das Herz zusammenquetschen, ein lebensbedrohlicher Spannungspneu.
Falls die undichte Stelle nicht durch eine äußere Verletzung entstanden ist, muss die Luft aus der Lunge entwichen sein, die volkstümliche Bezeichnung „Lungenriss“ beschreibt also ziemlich genau das Problem. Passieren tut das tatsächlich, wenn etwas in der Lunge platzt, etwa weil es durch einen starken Hustenstoß eine Druckspitze gab.
In der Regel passiert das, wenn die Lunge schon vorbelastet ist, typisch wären ein Lungenemphysem oder COPD, beides Raucherkrankheiten, die eher bei über fünfzigjährigen auftreten und mit Tabakkonsum assoziiert werden. Ob und inwieweit Cannabis darauf auch Auswirkungen hat, ist noch nicht erforscht. Generell enthält jeder Rauch Schwebstoffe, welche in den Atemwegen nicht willkommen sind und Abwehrreaktionen hervorrufen.
Dann gibt es noch den „Spontanpneumothorax“ der, hauptsächlich junge, schlanke, große Männer betrifft.
Tatsächlich sind von den jährlich rund 10.000 in Krankenhäusern registrierten Notfällen, fast die Hälfte in der Altersgruppe von 15 bis 35. Jetzt wird aber die Ursache nicht weiter erfasst. Einmal fragt niemand im Krankenhaus nach Cannabiskonsum, es würden wahrscheinlich auch eher wenig belastbare Aussagen aus einer solchen Befragung resultieren.
Wir tun uns immer noch besser, wenn nicht jeder weiß, was wir nach Feierabend machen. Schließlich ist der Pneumothorax nicht wirklich ein ernstes Problem. Für den Betroffenen ist es aber traumatisch, wenn die Lunge auf halber Kraft fährt und man in der Blüte seiner Jahre auf einmal keine Treppe mehr hochkommt. Ich kenn auch einen, der deswegen das Kiffen aufgegeben hat und vorsichtshalber nur noch Amphetamine zieht.
Medizinisch ist die Heilung des Pneumothorax aber eher eine Lappalie, die schon Ärzten im Grundstudium gelehrt wird.
Es wird ein Drainageschlauch zwischen die Rippen eingeführt und die Luft abgepumpt. Das Lungengewebe schließt sich von alleine wieder, wenn keine weitere Vorerkrankung besteht. In den meisten Fällen kommt es wohl gar nicht zu einem Krankenhausaufenthalt. Ein Lungenriß bleibt oft ohne Folgen, der Betroffene verspürt beim Husten ein Stechen in den Lungenspitzen, das war’s.
Ein Zusammenhang von Pneumothorax und Cannabiskonsum ist also nicht bewiesen, aber möglich. Als Raucher gehört man zur Risikogruppe, egal welches Kraut pur oder vermischt inhaliert wird. Um das Risiko zu verringern, zu den 0,0125% der Bevölkerung zu gehören, die mit Lungenriss ins Krankenhaus müssen, kann man das Rauchen aufgeben, oder Filtersysteme verwenden.
Wenn wir mehr wissen wollen, bleibt uns mal wieder nichts anderes übrig, als die Entwicklung in Staaten mit normalisiertem Cannabisumgang genau zu verfolgen, damit uns Mortler und Nachfahren nicht dauernd über unbequeme Datensätze etwas vorflunkern können.