Die meisten Leser von Cannabis-Rausch.de sind jung. Zwar nicht unbedingt 15, aber trotzdem noch reichlich jünger, als der typische Pink Floyd-Hörer. Auch ich mit meinen zarten zwanzig Jahren bin viel zu jung, um die Blütezeit der britischen Rockband miterlebt zu haben. Während ich persönlich in meiner Kindheit zwar schon sehr zeitig durch meine rockaffine Verwandtschaft mit dem Meisterstreich Pink Floyds, The Wall, konfrontiert wurde, hat sich mir erst gestern das volle Potential dieser legendären Band erschlossen: A Saucerful of Secrets.
Ohne Frage, das Konzeptalbum The Wall könnte auch Inhalt dieses Artikels sein.
Denn in seinen knapp 81 Minuten erfasst es die unterschiedlichsten Klangfarben und Stimmungen – perfekt für einen etwas tieferen Ausflug in die eigene Gedankenwelt. Doch an der Stelle soll es um das Album A Saucerful of Secrets aus dem Jahr 1968 gehen, welches elf Jahre vor The Wall entstand. Wichtig sind an der Stelle die elf Jahre. Denn elf Jahre sind eine seeehr lange Zeit, wenn es um die musikalische Entwicklung einer Band geht. In der Entstehungszeit von A Saucerful of Secrets fand ein Umbruch in der Band statt. Gründungsmitglied und Gitarrist Syd Barrett wurde gegen Ende der Entstehungsphase des zweiten Studioalbums von dem stark gefeierten David Gilmour ersetzt.
Barrett war maßgeblich für den psychedelischen Stil Pink Floyds in der Anfangszeit der Band verantwortlich, hatte er doch eine stark ausgeprägte Vorliebe für LSD und andere Psychopharmazeutika. Diese Liebe wurde ihm letzten Endes auch zum Verhängnis, denn Barrett rutschte langsam und schleichend in eine stark ausgeprägte Psychose ab, stand bei Live-Auftritten teilweise regungslos mit seiner Gitarre da und machte – nichts.
Deshalb erscheint es nicht weiter verwunderlich, dass sich die Band nachfolgend von ihm trennte und ihn durch seinen, ironischerweise Gitarrenlehrer, David Gilmour ersetzte. Doch Barretts Vorliebe zu stark psychoaktiven Drogen macht es für mich interessant, noch einmal das letzte Album näher zu beleuchten, an dem er mitwirkte. Denn klar ist: Wir von Cannabis-Rausch fahren total auf anders und alternativ denkende Menschen ab!
Im Folgenden möchte ich gerne meine persönlichen Highlights des Albums A Saucerful Of Secrets etwas näher beleuchten, aber im Falle von Musikempfehlungen ist es wohl das Beste, wenn du auch gleich mit ins Album reinhörst – sollte in Zeiten von Musikstreaming ja kein großes Problem darstellen.
Also, Ton ab!
Das Album beginnt mit dem Titel Let There Be More Light, welches wiederum mit einem ziemlich groovigen Gitarrenriff anfängt. Darauf gesellen sich Ethno-Töne aus anderen Welten und eine sehr melodisch interessante, weil unkonventionelle Orgel. Dann der Break – Gesang. Melancholisch angehauchter, monotoner Gesang, der nach einigen Sekunden in einer Explosion der Gefühle mündet. Apple Music beschreibt das Album ganz passend als „psychedelische[n] Wirbelsturm mit abenteuerlichen, im Tempo ständig wechselnden Rhythmen und einer Mischung aus ätherischem, leicht verzerrtem Gesang“.
Man bedenke beim Hören, wann das Album erschienen ist. Viele Songs könnten auch aus der Feder von zeitgenössischen psychedelischen Bands wie MGMT stammen, doch das Erschaffen bunter Welten per Musik konnte Pink Floyd schon vierzig Jahre früher in ähnlichem Ausmaß und Komplexität. Dynamik ist hier das Stichwort, die Titel sind unheimlich vielschichtig und abwechslungsreich, ohne einen musikalischen roten Faden vermissen zu lassen. Meisterlich? Auf jeden Fall!
Das Album kann man sich zwar auch nüchtern geben, aber unter dem Einfluss von Cannabis oder LSD erklimmt man mit großer Sicherheit andere Dimensionen! Titelnamen wie „Set The Controls Of The Sun“ laden förmlich dazu ein, tief in die eigene Seele und metaphysische Dimensionen abzutauchen. Gerade in genanntem Track führt das Zusammenspiel von Drone-Sounds, Stereo-Panoramen, Naturgeräuschen wie Vögelgezwitscher, der gehauchten Stimme und sonoren Klangkulissen unweigerlich zum Träumen. Der Titel ist für mich die absolute Empfehlung aus dem genannten Album, wenn es rein um die psychedelische Erfahrung geht.
Aber auch Corporal Clegg ist absolut klasse – es ist das einzige von Roger Waters beigesteuerte Lied.
Roger Waters, der von da an zum bedeutendsten Songwriter Pink Floyds avancieren sollte. Was ich an Track Nummer vier besonders feier? Den provokanten Stil. Da passiert erstmal nicht sooo viel Aufregendes – den anfänglichen Höhepunkt bildet der an das tödliche Kriegsschicksal seines Vaters angelehnte autobiografische Text Waters, der von einem Soldaten erzählt, der sein Bein im zweiten Weltkrieg verliert. Im Refrain wird es dann aber wunderbar ironisch explosiv, als eine Kazoo provokant vor sich hintrötet. Ist was zum schmunzeln, denn das Lied lebt ganz klar vom Sarkasmus.
Der namensgebende Titel des Albums, A Saucerful Of Secrets, ist dagegen wieder die volle Dröhnung für alle Fans der erweiterten Spiritualität. Doch Achtung: Das zwölfminütige akustische Feuerwerk ist nichts für schwache Nerven oder Menschen, die sich regelmäßig durch Bad Trips den Tag versauen lassen. Der Track hätte auch für jeden schaurig-düsteren Horrorfilm Pate stehen können. Ein Katalysator für die Erregung der ganz tiefen Gedankengänge. Ich fühle mich überfordert, die Klanglandschaft in seine Einzelteile zu zerlegen und euch passend zu beschreiben. Schöpfer Roger Waters erklärte gegenüber dem Rolling Stone, der Titel beschreibe eine Schlacht und deren Folgen. Bestehend aus vier Teilen verändert sich die Stimmung des Lieds gegen Ende von Schauer/Horror in Richtung Aufbruch oder sogar Hoffnung. Zwischenzeitlich wird ein Konzertflügel mit Armen und Fäusten leidenschaftlich bearbeitet, was den Charakter des Titels wahrscheinlich ganz passend beschreibt.
Die hoffnungsgebende Schlussfrequenz des Albums A Saucerful Of Secrets wird im nächsten Titel See-Saw beinahe nahtlos fortgesetzt. Das instrumental von See-Saw erinnert hochgradig an den Track Brian Eno von MGMT. Auch unbedingt mal anhören. Aber wer hier von wem inspiriert wurde, sollte mit Blick auf die Veröffentlichungsjahre recht klar sein. Der Anfang von See-Saw hilft sehr gut, nach dem doch recht fordernden A Saucerful Of Secrets wieder halbwegs klarzukommen (vor allem, wenn man parallel trippt). Aber keine Angst, die Gedanken des geneigten Psychonauten werden nach einigen Takten wieder deutlich mehr gefordert, denn die gewohnt hohe Komplexität der bisherigen Titel setzt sich auch in See-Saw fort.
Zum Abschluss der Pink Floydschen Früherfahrung kommt dann noch der Titel, wegen dem wir eigentlich dieses Album betrachten. Es ist der einzige Track, der von dem großen Psychedeliker Syd Barrett beigesteuert wurde. Mehr möchte ich an der Stelle nicht spoilern, hört euch den Titel einfach ganz in Ruhe an und schmelzt dahin, wenn sich Ton um Ton übertrifft.
Post Scriptum: Eigentlich wollte ich an der Stelle noch einen YouTube-Link zum Album in voller Länge posten – aber die Qualität des Fundstücks ließ mir dann doch zu sehr zu wünschen übrig. Deshalb: Spotify, Apple Music, Schallplatte, CD – seid kreativ 🙂
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