Gestern war es endlich soweit. Georg Wurth, Geschäftsführer des deutschen Hanfverbandes, wurde vor dem Petitionsausschuss des Bundestags angehört und durfte mit Vertretern der Regierung und Opposition über Sinn und Unsinn der deutschen Prohibitionspolitik diskutieren.
Cannabis Petition im Bundestag – um was geht es hier?
Der DHV hat ein wahnsinnig erfolgreiches Jahr 2017 vorzuweisen. Neben Führerscheinkampagne, Cannabis Normal und vielen Neueintritten hat der deutsche Hanfverband mit der Petition gegen das Cannabisverbot die mit über 79.000 Unterschriften erfolgreichste Petition seit langem im deutschen Bundestag eingereicht. Trotz Serverausfällen und umständlicher Petitionsseite im Bundestag.
Am 11.6., ein Tag nach der Mary Jane, dann endlich der Showdown. Wurth und die Opposition gegen die stoisch konservativen Regierungsvertreter. Im Gegensatz zu den Allerweltsblättern möchte ich die Debatte jedoch nicht nur unter den sowieso schon altbekannten Positionen der beiden Fronten Revue passieren lassen, sondern etwas umfangreicher auf Rhetorik, Inhalt und auch neue Argumente eingehen. Wie sagt man so schön? Gut Ding will Weile haben. Der Übersichtlichkeit habe ich alle Argumente und Fragen der Diskussionsteilnehmer durchnummeriert, damit ihr sie von meinen Anmerkungen unterscheiden könnt.
Wer war alles am Start?
In dem Raum, bei dem es sich um eine Spielzeugversion des echten Plenarsaals handelt, sitzen neben dem Petenten Georg Wurth auch Vertreter der Regierung, konkret Staatssekretär Dr. Thomas Gebhart, und Abgeordnete der Parteien Bündnis 90/Grüne, Linke, AfD, SPD, CDU und FDP. Von der FDP wurde Herr Todtenhausen abgesandt, von der Linken Frau Steinke, von der AfD Herr Ebner, von den Grünen die Doktorinnen Frau Rottmann und Kappert-Gonther und von der SPD Frau Stamm-Fibich. Von der CDU war außer Gebhart noch Marc Henrichmann am Start.
Klar, die Namen kennt man nicht unbedingt. Das ist bei über 700 Abgeordneten auch ganz normal. Jedoch sind einige der Namen auch schon im Zusammenhang mit der Cannabis-Problematik gefallen, hervorheben möchte ich an der Stelle Frau Kappert-Gonther von den Grünen, die bei der letzten Debatte im Bundestag zum Thema Cannabis bereits ihren Sachverstand zum Thema in einer Rede zum Ausdruck brachte. Sachverstand steht an der Stelle nicht nur, weil sie Pro Cannabis argumentiert(e): Vielmehr nehme ich ihr ab, dass sie durch ihre Vergangenheit als Suchtmedizinerin ganz gut weiß, wovon sie spricht!
Auf der anderen Seite steht mit Dr. Thomas Gebhart ein erst kürzlich zum Parlamentarischen Staatssekretär berufener Politiker, der in seiner Vergangenheit nicht mit Drogen, sondern mit Plastiktüten im Einzelhandel und Verpackungsgesetzgebung zu tun hatte. Ironischerweise promovierte der studierte Betriebswirtschaftler und Politologe mit einer Arbeit über direkte Demokratie. Nun gut, er sitzt jedenfalls als Regierungsvertreter im Plenum. Sehen wir doch mal, ob das Paradebeispiel für direkte Demokratie, die Petition, von ihm angemessen behandelt wird.
Georg Wurth sitzt natürlich auch im Saal. Er ist der einzige, dessen Name nicht auf einem Namenskärtchen steht. Er ist schlicht der „Petent“ unter zahlreichen MdBs und wichtig aussehenden Menschen.
Der Schlagabtausch beginnt mit einem routinierten Georg Wurth
„Der Petent bekommt das Wort“. Sehr schön, Georg Wurth darf beginnen. Er tritt im Saal eindeutig als Underdog auf, jedoch bringt er seine Punkte routiniert rüber. Georg Wurths eröffnende Argumente:
- Eine Cannabis-Legalisierung würde als weltweit meist konsumierte illegale Droge 80-90% des Schwarzmarktes im entsprechenden Land zerschlagen. Die restlichen 10-20% vergleicht er mit dem nach wie vor bestehenden Tabak-Schwarzmarkt, den es dementsprechend auch bei Cannabis geben könnte.
- Die organisierte Kriminalität würde durch eine Cannabis-Legalisierung zurückgehen, jedoch nicht verschwinden, da es nach wie vor eine Nachfrage nach illegalen Gütern wie Prostitution gebe. An der Stelle ist er noch etwas nervös und verwendet leider das Wort „Zwangsprostitution“.
- Aus Gesundheitsaspekten ist eine Legalisierung absolut notwendig, da Streckmittel, synthetische Cannabinoide und fehlende Deklaration von Wirkstoff-Gehältern hohe Risikofaktoren beim Konsum von Cannabis darstellen.
Nun kommt der Staatssekretär und Regierungsvertreter Dr. Gebhart zu Wort. Aus einer Position der demokratisch legitimierten Macht entgegnet er ohne Mühe:
- Die Verbotspolitik sei nicht gescheitert
- Kriminelle Organisationen würden sich auf andere Bereiche konzentrieren und ihre Geschäfte auf diese verlagern
Einwurf Lorenz: Gibt Gebhart gerade zu, dass ein „harmloser“ illegaler Markt aufrechterhalten werde, damit es keinen krasseren Schwarzmarkt gibt? Hat die Bundesregierung einfach nur Angst davor, dass die tausenden Dealer in Deutschland im Zuge einer Legalisierung keine sozialabgabenpflichtigen Jobs annehmen könnten? Doch weiter im Text.
Klar zu erkennen ist an dieser Stelle bereits, dass sich Georg Wurth total auf die Fakten verlässt. Er hat es nicht einmal nötig, die kleinen Schwachpunkt unter den Teppich zu kehren und geht sehr offen mit Risiken um. Er argumentiert seine Punkte klar und verständlich, während Herr Gebhart schlicht und einfach eine Meinung wiedergibt.
Suchtmedizinerin stärkt Georg Wurths Position
Endlich kommt mit Frau Dr. Kirsten Kappert-Gonther eine Expertin für Suchtfragen zu Wort. Nach ihrer Ausbildung zur Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie wurde sie ärztliche Leiterin einer Rehabilitationseinrichtung für psychisch Kranke. Ihre Punkte:
- Strafe schütze nicht vor Schäden bzw. dämme Konsum nicht ein. “Das haben im übrigen auch die Kanadier erkannt, da sie jetzt einen regulierten Markt schaffen.“
- Schwarzmarkt verstärke Gesundheitsrisiken enorm (Das ist auch die parteiinterne Position von Bündnis 90/ Grüne zum Thema)
- Unterschiede im THC-Gehalt des Schwarzmarkt-Grases machen Dosierung zu einem riskanten Thema und synthetische Cannabinoide/Streckmittel stellen erhebliche Gesundheitsgefahren dar
- Von Wurth würde sie gern hören, welche Rolle THC und CBD bei der Gesundheitsfrage einnehmen und warum Verbot nicht vor Konsum schütze. Außerdem möchte sie gern vorgetragen bekommen, wie ein regulierter Markt laut DHV aussehen könne.
Man erkennt sehr gut, dass Kappert-Gonther Georg Wurth rhetorisch und inhaltlich unterstützt. Zum einen wiederholt sie als Autoritätsperson, welche sie durch ihre Vergangenheit als Suchtärztin zweifelsohne in diesem Kontext ist, die Positionen von Wurth. Zum anderen fordert sie Wurth dazu auf, weiter wichtige Fakten zum Thema vorzutragen, um seine fachliche Kompetenz in der Runde zu stärken. Ich unterstelle ihr jetzt einfach mal, dass sie den Unterschied bzw. die Wechselwirkungen von THC und CBD auch selbst kennt und auch einen Überblick über die Dunkelziffer deutscher Cannabis-Konsumenten im Kopf hat. Doch sie entscheidet sich bewusst dafür, an der Stelle nicht mit Argumenten und Wissen zu glänzen, sondern stärkt Georg den Rücken.
THC und CBD sind der Schlüssel
Georg Wurth ist also wieder an der Reihe und seine anfänglich noch teilweise aufkeimende Nervosität scheint durch die starke Unterstützung im Raum gebannt zu sein. Seine Argumente:
- Strafe bzw. Verbot schütze nicht vor Konsum. Vor allem die Risikogruppe der Jugendliche leide unter der momentanen Verbotspolitik. Denn je eher im Leben Cannabis konsumiert werde, desto größer könnten Schäden ausfallen. Bei älteren Generationen sei der Effekt der Prohibition deutlich wirksamer festzustellen.
- Prävention führe zu Tabuisierung des Themas und Betroffene wenden sich erst (zu) spät an unterstützende Institutionen. Zudem: Unglaubwürdiger Unterschied in der Cannabis-Prävention mit Polizei Abschreckung in der Schule gegenüber „Kenn-Dein-Limit“-Attitüde bei Alkohol.
- Vor allem für Psychosen empfängliche Menschen seien heutzutage die wahren Opfer der Prohibition, da auf dem Schwarzmarkt keine Kennzeichnung von CBD- und THC-Konzentrationen durchgeführt werde. Gerade solche Menschen benötigen jedoch auch CBD im Cannabis, da es der psychotischen Wirkung des THC entgegenwirke. Momentan gebe es keine Möglichkeiten, CBD-reiches Gras auf dem Schwarzmarkt zu kaufen.
- Thema steigende THC-Gehälter: Früher hatten Blüten weniger THC, jedoch wurde, auch in Deutschland, vor allem Haschisch geraucht. Das Haschisch von damals enthielt ähnliche oder höhere THC-Konzentrationen als die Blüten von heute.
Einwurf Lorenz: Manche Blüten enthalten auch heute deutlich weniger als 10% THC, denn nur weil die Gorilla Glue in Kalifornien 24 % THC erreicht, heißt das noch lange nicht, dass das auch für den heimischen Eigenanbau gilt. Ich erinnere mich an der Stelle an einen netten Text von Meister Bob, in dem eben genau das dargestellt wurde: Ein Bekannter wurde mit Gras erwischt, Jack Herer aus dem Eigenanbau, und hat von der Polizei als Dankeschön einen netten gratis-Test bekommen. Ergebnis: 6% THC. Doch weiter im Kontext.
Die CDU zerfleischt sich kurzerhand selbst
Jetzt wird der erste Schlagabtausch zwischen Wurth/ Kappert-Gonther und Staatssekretär Gebhart durch einen weiteren Akteur aufgelockert: Marc Henrichmann von der CDU/CSU-Fraktion überrascht dadurch, dass er seinem Kollegen Gebhart unmissverständlich in den Rücken fällt.
- Rückfrage an Gebhart, ob der Schwarzmarkt in anderen Legalen Ländern wirklich in dem durch die Bundesregierung geschätzten Umfang auf andere Substanzen umgestiegen ist.
- Könne es vielleicht sogar sein, dass durch den Status Quo Kinder und Jugendliche gerade dazu gereizt würden, Cannabis mit allen entsprechenden Folgen zu konsumieren und auszuprobieren?
Das war es von ihm an der Stelle und auch für die noch kommenden Minuten der Diskussion. Ganz ehrlich? Damit hätte ich an der Stelle nicht gerechnet!
Gesundheitssekretär Gebhart kontert natürlich auch seinen eigenen Fraktionskollegen, der ihn gerade wie Brutus damals Caesar verraten hat. Es wird immer offensichtlicher, dass der werte Herr Staatssekretär keine thematischen Kompetenzen mitbringt und sein rhetorisches Selbstbewusstsein lediglich aus seiner respektablen Position schöpft.
- Es seien keine Zahlen bekannt, jedoch sei alles vorstellbar.
- Es stehe die Befürchtung im Raum, dass es bei einer Legalisierung des Freizeitkonsums von Cannabis für Erwachsene zu einer „Ausweichbewegung“ kommen könnte und die Jugend darunter litte.
Einwurf Lorenz: Warum habe ich dann vor kurzem einen 3000!-Wörter-Artikel darüber geschrieben, warum Cannabis an Schulen ein großes Problem ist? Sicher nicht, weil es im Moment so gut läuft in Sachen Jugendschutz!
Zurück zu Gebharts Argumenten:
- Viele Cannabis Konsumenten befänden sich in Suchtbehandlung, teilweise stationär. Er wäre vor kurzem in einer solchen Behandlungsstätte gewesen und empfiehlt eindringlich, doch einfach mal mit den Ärzten über die Sache zu reden. Sei wohl eine klare Sache.
Lustig:
Gerade noch hat Dr. Kirsten Kappert-Gonther, ihres Zeichens Suchtmedizinerin mit entsprechendem Hintergrund, davon geredet, welche Erfahrungen sie als solche in der Vergangenheit gemacht hätte und dass sie gerade WEGEN der Erfahrungen als Suchtmedizinerin für einen regulierten Markt kämpfe. Wurth hat ähnliches geäußert, nämlich dass die Hamburger und Berliner Suchtberatungen sich stark für einen regulierten Markt einsetzen, da die momentane Verbotspolitik keinerlei Erfolge erzielt.
Ach ja, die SPD ist ja auch da. Bis jetzt hat sich die Abgeordnete Frau Stamm-Fibich in unterwürfiger GroKo-Haltung zurückgehalten, doch ergreift jetzt auch das Wort. Sie zitiert einen Fachmann, nämlich Raphael Gaßmann, seines Zeichens Geschäftsführer der deutschen Hauptstelle für Suchtfragen. Ein solides rhetorisches Mittel, da ihre Standpunkte durch den zitierten FACHmann enorm an Glaubwürdigkeit und Rückhalt gewinnen.
- Strafrechtliche Verfolgung sei nicht hilfreich, um Betroffenen in irgendeiner Art und Weise weiterzuhelfen.
- Kriminalisierung führe dazu, dass Betroffene erst spät um Hilfe bitten. Im Moment ist eine ernsthafte Aufklärungsarbeit nicht möglich.
- Der internationale Vergleich zeige, dass Prohibition den Konsum nicht verringere. Wie sieht die Bundesregierung die Durchsetzung der Prohibition in Bezug auf den Gesundheitsschutz der Bevölkerung?
Die Gesundheit steht für die Regierung im Vordergrund
Wir sehen, im Verlauf der Diskussion kehren immer wieder ähnliche Argumente zurück in den Fokus. Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass Gebhart in keinem der anwesenden Abgeordneten einen Verbündeten für seine Argumentation findet. Nicht mal im Fraktions-Kollegen Marc Henrichmann! Doch er wäre nicht Staatssekretär, wenn er in der Situation nicht die Position der Regierung mit allen Mitteln verteidigen würde. Also holt er jetzt eine einschlägige Worthülse aus seinem Vokabular hervor, nämlich den Gesundheitsschutz.
- Der Gesundheitsschutz sei das Entscheidende. Viele Aspekte der Drogenpolitik haben letzten Endes den Gesundheitsschutz zum Ziel – Verbot, Prävention, Bekämpfung der Drogenkriminalität und Hilfe bei Entzug. Drogenpolitik müsse INSGESAMT betrachtet werden, um Bewertung vornehmen zu können.
Einwurf Lorenz: Man kann ja auch mal die gesamtdeutsche Politik INSGESAMT betrachten, dann fällt nämlich auf, dass jährlich 170.000 Menschen an Alkohol und Tabak sterben, dass die deutsche Justiz- und Polizeilandschaft eklatant von Cannabis-Konsumenten gelähmt wird und dass der Anteil von aufgeklärten Dealer-Verbrechen nur einen Bruchteil dessen ausmacht, was Konsumnahe Delikte in die Statistiken schreiben. Das können andere, deutlich bewandertere Menschen jedoch besser einschätzen, weshalb ich sehr auf die Studie von Professor Haucap gespannt bin, die vom DHV in Auftrag gegeben wurde. Dabei handelt es sich um die erste wirklich umfassende volkswirtschaftliche Betrachtung von Prohibition und Legalisierung. Doch bis diese veröffentlich wird, haben wir noch genug Zeit, uns auch noch die restlichen Punkte der Debatte anzuschauen. Also weiter im Text!
Sogar die AfD zweifelt an der Sinnhaftigkeit der Prohibition
Jetzt kommt Herr Ebner von der AfD zu Wort. Und wer jetzt gleich denkt: Der wird doch eh dagegen sein, hat sich gewaltig getäuscht. Denn Herr Ebner ist sichtlich unzufrieden mit der momentanen Situation, was nicht zuletzt auch daran liegt, dass er schulpflichtige Kinder hat, die durch die momentane Drogenpolitik nicht gerade schwer an Gras kommen. Hier seine Fragen und Argumente an Herrn Gebhart:
- Gibt es Erkenntnisse bezüglich der Kosten für das gesundheitliche System durch den Cannabis-Gebrauch? Führen wir nicht eine Scheindiskussion?
- Zu Hause in Bremen am Bahnhof wäre er schon des Öfteren von Dealern auf Cannabis angesprochen worden. Wenn er solche Vorkommnisse der örtlichen Bahnhofspolizei meldete, zuckten diese lediglich mit den Schultern.
- Sogar seine Kinder aus MÜNCHEN erzählen ihm, dass man Cannabis ÜBERALL herbekommen würde. Alles kein Problem.
Er zweifelt ganz deutlich an der Wirkung der Verbotspolitik. An der Stelle würde mich auch mal brennend interessieren, wie hoch die finanzielle Belastung des Gesundheitswesens durch Konsumenten wirklich ist. Doch leider hat Herr Gebhart auf diese Frage wieder keine Antowrt. Stattdessen:
- Die Frage sei doch, ob man nach einer Legalisierung mehr oder weniger Konsumenten hätte. Man gehe jedoch ganz klar davon aus, dass sich die Menge der Konsumenten erhöhe, da die Generalprävention durch die Verbotspolitik fehle.
Hier haben wir es mit einem prächtigen Exemplar von Whataboutismus zu tun. Darauf kommen wir in ein paar Zeilen zurück, versprochen! Jetzt erhält jedoch erstmal Herr Todtenhausen von der FDP das Wort. Er kommt sofort zum Punkt und redet nicht erst lang herum, wie Herr Gebhart das auf Grund fehlenden Hintergrundwissens von Anfang an pflegt. Todtenhausens Punkte:
- Drogenpolitik funktioniere nicht und sei gescheitert
- Er plädiert auf ein Modellprojekt mit wissenschaftlicher Begleitung
- Das Argument der Einstiegsdroge und die momentane Risiko-Einschätzung der Gefahren von Cannabis-Konsumenten im Straßenverkehr werden stark angezweifelt und an Herr Gebhardt als Frage zurückgegeben.
- Was ist der „richtige Weg“?
An der Stelle bekam zwar eigentlich Georg Wurth den Redestein zurück, doch da wir hier ja schriftlich unterwegs sind, möchte ich euch an dieser Stelle direkt Gebharts Antwort auf Todtenhausens Frage darlegen.
- Was ist der richtige Weg? Wir sind nicht der Meinung, dass der richtige Weg ist, Cannabis zu legalisieren. Das ist auch der Grund, warum wir noch keine Modellprojekte „eingebracht“ haben (Lorenz: Und abgelehnt!).
- Zur Frage Einstiegsdroge: Es sei nicht belegt, dass Cannabis eine Einstiegsdroge ist. Doch nachdem, was er so einschätzen könne, gebe es doch eine ordentliche Bandbreite an Konsumenten. Cannabis wird in allen Altersgruppen konsumiert und auch in unterschiedlicher Häufigkeit.
Herr Gebhart und der Whataboutismus
Gerade an der letzten Antwort erkennt man wunderbar das rhetorische Mittel des Whataboutismus‘. Auf eine Frage wird nicht genau eingegangen, andererseits drückt man sich auch nicht um eine Antwort. Man sucht sich ein etwas anderes Thema und redet darüber. Eigentlich hätte er doch an der Stelle auf die Frage antworten müssen, warum Cannabis als Einstiegsdroge gehandelt wird? Doch nein, er konnte nicht einfach die ehrliche Antwort auf sich beruhen lassen, dass das Einstiegsdrogenargument nicht erwiesen sei. Denn somit hätte er seine Schwäche offenbart. Deshalb musste er unbedingt noch über irgendetwas reden, um von diesem Punkt abzulenken. In dem Fall hat er sich der Bandbreite der Konsumenten gewidmet. Nun ja, für den neutralen Zuhörer wirkt das im Endeffekt einfach nur sehr wirr und trägt zur Debatte rein gar nichts bei.
Wie schon angedeutet, kam die Antwort nicht direkt, sondern erst nach Georg Wurths drittem, großen Redebeitrag. An der Stelle geht er auf Fragen ein und bringt wieder neue Fakten und Argumente in die Diskussion ein.
- Menschen wollen sich schon immer berauschen. Bei Cannabis spielt Entspannung und Bewusstseinsveränderung ein Thema, bei anderen Drogen andere Aspekte.
- Frage, warum denn nur Alkohol und Tabak von den vielen Rausch-Substanzen noch legal sind und warum hat damals mal so eine unglaubwürdige Kategorisierung stattgefunden? Warum ist Cannabis verboten und Alkohol nicht?
- Einstiegsdroge: Wissenschaftlich widerlegt. „Sonst hätten wir jetzt eine Million Heroin-Konsumenten, um das jetzt mal ein bisschen zuzuspitzen.“
- Praktisch alle Cannabis-Konsumenten haben vorher Tabak oder Alkohol konsumiert.
- Führerscheinfrage: Härtester Repressionsbereich, für viele Konsumenten schlimmer als ein Strafverfahren.
Vergleich: Das ist, als wenn die Polizei die Führerscheinstelle anrufen würde, nur weil sie mich mit zwei Bier aus dem Getränkemarkt gehen sehen. - Regulierter Markt – wie sieht er aus? Lizenzierte Cannabis-Fachgeschäfte, die nichts anderes verkaufen. Diese Fachgeschäfte seien besser kontrollierbar als die tausenden alkoholführenden Spätis und Supermärkte. In Colorado haben sich Ausweiskontrollen durchgesetzt. Werbeeinschränkungen unterstützen das Ganze.
Georg Wurth macht an der Stelle alles richtig, indem er die Diskussion weiterhin sachlich führt. Mit dem Rückblick in die berauschte Menschheitsgeschichte holt er ein sehr plausibles Argument hervor, welches auch ohne große Erläuterung für sich steht. Der Vergleich mit Alkohol ist zwar an sich ziemlich billig, doch zeigt unmissverständlich die Doppelmoral Deutschlands bezüglich der Kategorisierung von Drogen auf. Sehr gut hat mir in dem Zusammenhang der Vergleich zur Führerscheinproblematik gefallen, denn unter diesem konstruierten Sachverhalt mit dem Getränkemarkt kommt die Ironie der Ungleichbehandlung sehr plastisch heraus.
Was sagt die Anzahl der Konsumenten über die Probleme einer Substanz aus?
Zum Abschluss widmet sich noch einmal Frau Steinke von Die Linke der Aussage Gebharts, dass die Verringerung der Zahl der Cannabis-Konsumenten höchste Priorität hätte.
- Es gehe nicht darum, dass es weniger Konsumenten gibt, sondern um eine regulierte Abgabe.
- Frage an Herr Gebhardt: Gibt es ein Nachweis, wie viele Tote es 2016/17 durch übermäßigen Alkohol und Tabak-Konsum gab und wie viele durch Cannabis-Konsum?
Demokratie lebt unter anderem durch parlamentarische Kontrolle und gegenseitiges Überprüfen. Das kann oft langwierig sein, schützt unsere Grundwerte jedoch zuverlässig. Umso verständlicher die immer wiederkehrenden Nachfragen der verschiedenen Abgeordneten nach offiziellen Zahlen, auf die sich die Regierung ja selbst auch gern beruft.
Doch leider kann Gebhart die Zahlen nicht liefern, was wirklich peinlich ist. Sogar ich habe mir den 182-seitigen Suchtbericht der Bundesregierung durchgelesen! Und davon abgesehen standen die Zahlen in allen großen Blättern. Zeit, Welt, Spiegel, Vice… teilweise sogar mehrfach!
- Uns geht es darum, dass aus Gründen des Gesundheitsschutzes möglichst wenige Menschen Cannabis zu Genusszwecken konsumieren.
- Zur Zahl der Toten liegen momentan keine Zahlen vor. Weitergabe an seine beratende Sitz-Nachbarin mit dem Ergebnis: Es liegen keine Zahlen zu Toten wegen Cannabis vor.
Doch Frau Steinke bleibt hartnäckig und nennt die Zahl der Alkoholtoten kurzerhand selbst:
- Warum möchte die Regierung das Cannabis-Verbot unbedingt durchsetzen, wenn durch Alkohol jährlich 70.000 Menschen sterben und durch Cannabis KEINE(R)?
Keine Antwort. Doch die Beisitzenden reden weiter auf Gebhart ein, zum Schluss der Diskussion kommt mit Frau Dr. Rottmann von den Grünen noch eine bisher unbekannte Akteurin zu Wort. Ihre Hauptpunkte:
- Selbstschädigendes Verhalten sei bei Cannabis unter Strafe gestellt, obwohl es auch keine Strafen für Medikamentenmissbrauch und Selbstmord gäbe.
- Ist die Polizei das richtige Organ dafür, Menschen vom Konsum abzuhalten?
- Was sind denn überhaupt Kriterien, um etwas unter Strafe zu stellen?
- Antwort:
- Fremdschädigung
- Öffentliches Interesse.
- Gesundheitliche Aspekte , in dem Fall Selbstschädigung, dürften kein unmittelbarer Grund dafür sein, etwas unter Strafe zu stellen.
- Werden momentan nicht zu viele Kapazitäten von Polizei und Staatsanwaltschaft gebunden, die an anderer Stelle bei der Bekämpfung von bspw. Terror Fehlen? Rechtfertigt selbstschädigendes Verhalten ohne öffentliches Interesse wirklich solch einen staatlichen Ressourcen-Einsatz?
Puh, da kam die Grünen-Abgeordnete ja noch einmal mit einem ganz schönen Brocken am Ende. Aus rhetorischer Sicht sind das zwar wertvolle und auch richtige Argumente, doch leider gehen sie durch die Position am Ende des Diskussions-Zeitstrahls unter. Mit diesem Output wäre sie zu Beginn der Diskussion definitiv besser aufgehoben gewesen.
Am Ende darf Georg Wurth noch ein paar abschließende Worte äußern. Er könnte jetzt alles sagen, muss sich jedoch auf ein paar sehr wichtige Kernpunkte festlegen, da die letzten Worte stets die wichtigsten sind. Die letzten Worte bleiben einem im Gedächtnis. Georg Wurth schließt mit dem Punkt, dass die Repression die Gesundheitsgefahren, die vom Cannabis-Konsum ausgehen, nicht minimiert, sondern vielmehr erhöht. Es werde nicht weniger gekifft, nur weil Cannabis verboten ist.
Der Dampfer kommt langsam, aber sicher in Fahrt. Ziel: Legalisierung.
Damit hat Georg Wurth die Hauptargumente dieser Diskussion noch einmal zusammengefasst und steht damit, gemeinsam mit allen anderen, unterstützenden Abgeordneten, auf der inhaltlichen Gewinnerseite dieser Diskussion. Wer sich die ganze Debatte angeschaut hat, weiß das. Was davon jedoch dann in die große Medien-Landschaft kommt, ist noch mal ein ganz anderes Ding. Deshalb hoffe ich, dass ich euch mit dieser etwas gründlicheren Aufarbeitung dieser extrem wichtigen demokratischen Debatte möglichst viele Aspekte der Runde aufgezeigt habe.
Für mich sieht das Fazit definitiv nicht nach Resignation aus. Manche Medien wie wallstreet-online.de titeln zwar mit „Keine Legalisierung von Cannabis in absehbarer Zeit“ – doch damit haben sie auch nur die offizielle Berichterstattung des Bundestags aufgegriffen. Besonders die hinterlistige Aktion von Marc Henrichmann von der CDU/CSU gegenüber seinem Kollegen Gebhart fand ich wegweisend. Zeigt die Aktion doch auf, dass auch in der CDU ein Umdenken stattfindet.